210 Die Oberste Heeresleitung.
des Krieges erwachsen, wie ihn England und damit der Feind in Lloyd
George hatte.
Der beste Beweis dafür, woran es fehlte, war, was die neuen militä-
rischen Führer zunächst schufen. Das Hindenburg-Programm war nicht dem
Pflichtenkreis der Obersten Heeresleitung angemessen, sondern war Auf-
gabe der wirtschaftlichen und politischen Kriegführung. Zur Ausführung
in die Hand einer schwachen Regierung gelegt, konnte es nur unzureichend
und verstümmelt verwirklicht werden. Die Durchführung im Sinne seiner
Schöpfer war nur gesichert, wenn sie die Gesamtleitung der Kriegführung
übernahmen, in der die militärische nur einen Teil, wenn auch den aus-
schlaggebenden, bildete. Die Tatkraft mußte an erste Stelle gestellt und
das politische und wirtschaftliche Fachwissen ihr untergeordnet werden. Das
Vertrauen, das das deutsche Volk beiden Feldherren schenkte, mußte auf die
politische und die militärische Kriegführung gleichmäßig verteilt werden.
Die sachverständige Beratung in politischen und wirtschaftlichen Dingen
hätte bei dem ruhigen Urteil des Generalfeldmarschalls und der gründ-
lichen, verantwortungsbewußten und klugen Art, in der General Luden-
dorff Vorschläge prüfte und Entschlüsse faßte, dahin geführt, daß sie dem
Gesamtinteresse entsprachen. Die Einheitlichkeit zwischen dem Generalfeld-
marschall und General Ludendorff sowie die diesem letzteren eigene einzige
Tatkraft hätten Gewähr für die unbedingte Durchführung des als richtig
und notwendig Erkannten geboten.
War es dem Reichskanzler v. Bethmann, der die Berufung des Gene-
ralfeldmarschalls förderte, daran gelegen, hiermit eine Einigung der Volks-
stimmung und eine wirkliche Stärkung der Kriegführung herbeizuführen,
so kam diese Lösung damals in erster Linie in Betracht. Eine zweite
Möglichkeit bot sich, als er selbst ging, allerdings schon unter erheblich
schwierigeren Verhältnissen, weil durch den Beschluß der Friedensresolution
ein allmählicher Abbau der in die Oberste Heeresleitung verbannten
Kriegführung einsetzte. Schon vor der Übernahme der Obersten
Heeresleitung durch den Generalfeldmarschall hatten in der Presse die Er-
örterungen über Politik und Kriegführung begonnen, denen die politische
Reichsleitung sicher nicht fernstand und die auf eine Unterordnung der
letzteren hinausliefen. Es war widersinnig, die Tatkraft und Volkstüm-
lichkeit der Obersten Heeresleitung zu verstärken und gleichzeitig dahin zu
wirken, daß sie einer schwachen und vom Vertrauen des Volkes nicht ge-
tragenen politischen Leitung untergeordnet werden sollte. Unter allen
Umständen war es falsch, im Streit um das Übergewicht die öffentliche
Meinung mobil zu machen. Denn wo das Recht in dieser Frage theoretisch
lag, kann keinem Zweifel unterliegen. Es war aber keine Frage der
Theorie, sondern eine, bei der es vor allem auf die Persönlichkeiten ankam,