Der Nachrichtendienst der Entente und dle deutsche Abwehr. 31
und politischem Gebiet, dessen Kenntnis durch den Feind nicht der eigenen
Kriegführung zum Schaden gereichen konnte.
Die Länge des Krieges schliff aber das Verständnis für die Kriegs-
notwendigkeiten ab. Die über das Ziel hinausschießende Spionenjagd zu
Kriegsbeginn und die unverantwortliche Geschwätzigkeit zu Kriegsende sind
die Pole dieser Entwicklung. Beim Feinde war von einem Nach-
lassen im Schutz des militärischen Geheimnisses nichts zu merken.
Das Vorhandensein einer starken Staatsgewalt als zentralen Trägers des
Siegeswillens machte sich auch auf diesem Gebiete geltend. Rücksichtslos
wurden alle Interessen diesem einen höchsten untergeordnet. In Deutsch-
land und bei den Verbündeten dagegen waren die militärischen Notwendig-
keiten von Anfang an und um so mehr, je länger der Krieg dauerte, gegen
behördliche Widerstände nicht nur durchzusetzen, sondern das Bestehende
gegen Angriffe von Behörden und Interessentengruppen, von Parteien und
einzelnen zu verteidigen. Das Verlangen nach Abbau der deutschen Ab-
wehrmaßnahmen hielt Schritt mit dem Ausbau des feindlichen Nachrichten-
dienstes.
Vorschläge auf eine ausreichende Verschärfung des Spionagegesetzes
und eine das ganze Reich umspannende Abwehrpolizei waren im Frieden
nicht durchgedrungen. Der überraschende Übergang vom Friedens= zum
Kriegszustand bewies mit einem Schlage die Unzulänglichkeit der ge-
troffenen Maßnahmen. Zwar waren Bestimmungen vorhanden für die
Geheimhaltung durch die Presse und für die Überwachung des Personen-,
Post= und Telegraphenverkehrs mit dem Ausland, die organisatorischen
Voraussetzungen für die Durchführung fehlten aber ebenso wie eine aus-
reichende Organisation zur Bekämpfung der feindlichen Spionage. An
Stelle eines einheitlichen Vorgehens traten in an sich dankenswerter Weise
Maßnahmen einzelner Stellen, denen jedoch die Sachkenntnis fehlte. Hier-
aus erklären sich manche über das Ziel hinausschießende Erscheinungen
und Mißgriffe, die dem allgemeinen Verständnis für zweckmäßige Anord-
nungen lange anhingen.
Die erste Übertreibung trat in der Jagd nach Spionen und Goldautos
zu Kriegsbeginn zutage, die geradezu eine Gefahr für die Durchführung
der Mobilmachung wurde. Sie drohte, den geregelten Verkehr zu unter-
binden. Der Generalstab war diesem Treiben gegenüber tagelang fast
wehrlos, bis es dem energischen, von General v. Moltke befohlenen Ein-
greifen gelang, dem Unfug zu steuern.
Diese Vorkommnisse waren mit der Grund, daß während des Krieges
das Wort von der feindlichen Spionage nur noch sehr vorsichtig, meist nur
in Verbindung mit der Mahnung zur Verschwiegenheit, gebraucht wurde.