Full text: Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg.

42 Der Nachrichtendienst der Entente und die deutsche Abwehr. 
  
mehr als in jenen Ländern wurde auch bei uns neutrales Reisepublikum 
geduldet. Dieses war, je gebildeter, um so mehr eine ständige Gefahr. 
Ohne vaterländische Verantwortlichkeit, aber von starkem Interesse für die 
Verhältnisse und Vorgänge in Deutschland, wurde es bei der Rückkehr ins 
Ausland auch ohne böse Absicht zum gefährlichen Nachrichtenträger und 
mußte deshalb vom militärischen Standpunkt bekämpft werden. Es emp- 
fing seine Eindrücke besonders in großen Städten, vorzugsweise in Berlin, 
also dort, wo die Widerstandskraft am leichtesten erlahmte, militärische 
Geheimnisse das Tagesgespräch bildeten. Es lag in der Natur der Sache 
und ging aus den bekannt werdenden feindlichen Fragebogen hervor, daß 
der feindliche Nachrichtendienst im Ausland besonders willig solche Nach- 
richten sammelte und weitergab, die den Kampfwillen der eigenen Völker 
und Heere zu beleben geeignet waren. Dies um so mehr, je mehr er sich 
zu einem politischen und wirtschaftlichen Nachrichtendienst entwickelte und 
der militärische Kampf zu einem Ringen der Volkskraft wurde. 
Die Allerhöchste Verordnung betr. anderweitige Regelung der Paß- 
pflicht vom 21. Juni 1916 erkannte die militärischen Rücksichten an, indem 
der neuerrichteten Paßzentrale des Generalstabs bis auf bestimmte Aus- 
nahmen die Mitarbeit vor Erteilung eines jeden Sichtvermerks übertragen 
wurde. Die Paßzentrale stützte sich hierbei vornehmlich auf das umfassende 
Material der mit dem Fortschreiten der Abwehr bei der stellv. Abt. III -B 
entstandenen Zentralkartothek. Diese bot in ihren Personal= und Fach- 
blättern einen immer vollständiger werdenden Überblick über Ziele und 
Arbeitsweise des feindlichen Nachrichtendienstes und die mit ihm in Ver- 
bindung stehenden Personen. 
Es gelang nicht, ausreichendes Verständnis für die Notwendigkeit der 
Einschränkung von Gesuchen um Reiseerlaubnis über die deutschen Grenzen 
bei den paßerteilenden Stellen zu wecken. Die Folge war eine starke Be- 
lastung der Paßzentrale. Die Klagen über ihr langsames Arbeiten 
häuften sich. Sie waren aber in den meisten Fällen durch flüchtige Er- 
füllung vorgeschriebener Auskünfte und deshalb notwendige Rückfragen 
begründet. Die Paßzentrale wurde mit ihrer durch die Verhältnisse drin- 
gend gebotenen gewissenhaften Arbeit selbst den Behörden unbequem. Die 
Auslegung der der Paßzentrale entzogenen Ausnahmefälle wurde immer 
weitherziger. Während der Abschluß des feindlichen Auslands ständig voll- 
kommener wurde, blühte der Verkehr über die deutschen Grenzen, besonders 
im letzten Kriegsjahr, unter Nichtachtung der aus dem Ausland drohenden, 
den Behörden ständig vorgehaltenen Gefahr weit über das im Interesse 
der Abwehr zulässige Maß. 
Die der Geheimhaltung durch die Presse dienende militärische Zensur 
gehört zum Pressedienst und ist dort darzustellen. Hier muß zur Vollstän=
	        
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