88. Benennung des Völkerrechts. Internat. Recht. Internat. öffentl. Recht etc. 13
nationalen Gemeinschaft aus Privatrecht'), da es sich um Rechtsverhält-
nisse von Privatpersonen handle.?2) Allein gegen eine derartige Systematik
erheben sich gewichtige Bedenken. Der Entwicklung der neueren Wissen-
schaft und der dogmatisch korrekten Sonderung der verschiedenen Rechts-
gebiete entspricht es, dem Völkerrecht das internationale Privatrecht zur
Seite zu stellen solange und insoweit nicht das Völkerrecht selbst
Materien des Privatrechts zum Gegenstande kollektiver Rege-
lung gemacht hat. Das internationale Privatrecht beansprucht eine selb-
ständige und inhaltlich abgeschlossene Stellung); daher geht es auch nicht
an, dogmatisch verschiedenes, wie das Strafrecht und das Verwaltungsrecht,
soweit dabei Bezieliungen zum Ausland in Frage kommen, dem internationalen
Privatrecht zuzuweisen.
III. Bezüglich des Verhältnisses des sog. internationalen Privatrechts
zum Völkerrecht ist aber folgendes zu beachten. Die seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts üblich gewordene und jetzt vorherrschende Bezeichnung
„internationales Privatrecht“ betrifft jene Lehre, welche von den älteren
Schriftstellern als „Kollision der Gesetze“, „Konflikt der Gesetze“, als „Lehre
von den örtlichen Grenzen der Rechtsnormen“, „Lehre von dem Verhältnis
koordinierter Rechtsquellen“*) bezeichnet wurde. Die dieser Lehre an-
gehörenden Rechtssätze weisen allerdings eine Beziehung zum
Völkerrecht auf.) Die Rechtsverhältnisse, die hier in Frage kommen,
sind Privatrechtsverhältnisse, deren konkrete Eigenart darin besteht, daß die
Tatsachen, aus welchen sie entspringen und die auf ihre Abänderung oder
Aufhebung einen Einfluß üben, ferner die Personen und Sachen, auf die sich
betreffende Rechtsverhältnisse beziehen, verschiedenen Staatsgebieten ange-
hören, sohin verschiedene Elemente eines Rechtsverhältnisses bilden, die aber
für sich dem Rechte verschiedener Staaten unterworfen sind. Es ist nun an
sich möglich, daß eine Staatsgewalt diese Eigenart betreffender Privatrechts-
verhältnisse ignorierend ihre Gerichte verpflichtet, auch solche Verhältnisse
nur nach inländischem Recht zu beurteilen.) Allein ein solcher Standpunkt
S. 2; Binding, Handb. I S. 372 Anm. 5. Vgl. auch G. Rolin-Jaequemvns, Revue de
droit intern. 1 p. 242.
1) Siebe dagegen v. Martitz a. a. O. S. 412, 413, 423, 424.
2) Gegen Foolix vgl. auch Kahn, Inhalt, Natur und Methode des internationalen
Privatrechts (1899) und Desselben, Die einheitliche Kodifikation des ınternationalen Privat-
rechts (1904).
3) Damit hängt auch die Wichtigkeit der Pflege dieses Rechtsgebiets und der dasselbe
behandelnden Doktrin zusammen. Vgl. darüber Meili, Ztschr. f. internat. Privat- und Straf-
recht 1 S. 1 ff. und 157 ff.
4) Zur Kritik der älteren Nomenklatur vgl. v. Bar, Theorie und Praxis des internat.
Privatrechts (2. Aufl. des internat. Privat- und Strafrechts) Bd. I S. 1 ff.; Dessen Lehrb. d.
internat. Privat- und Strafrechts S. 2ffe. — Für die Bezeichnung „internat. Privatrecht“
Regelsberger, Pandekten S. 163, 164. S. auch Zitelmann, Internationales Privatrecht I
(1897).
5) Vgl. Regelsberger, Pandckten S. 162; Gareis$ 67; v. Martitz in „Kultur der
(iegenwart“ 451.
6) Von dieser grundsätzlichen Exklusivität, die in primitiven nationalen und inter-