Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

$ M. Nebenländer. Kolonien. 301 
  
Justizgewalt zum Schutz der eigenen Staatsangehörigen und der Angehörigen 
anderer Staaten, die an dem Handelsverkehr beteiligt sind, ferner durch Er- 
füllung der Aufgaben gegenüber den Eingeborenen geschehen. Was durch 
Art. 35 für Okkupationsfälle zum Zwecke der Beseitigung der bloß fiktiven 
Okkupation ausdrücklich vorgeschrieben ist, ergibt sich aus der Natur des 
kolonialen Protektorats von selbst. Der Staat erwirbt durch den Schutzvertrag 
nicht bloß Rechte, sondern übernimmt auch Pflichten. Erfüllt er diese Pflichten 
nicht, so ist kein dritter Staat verhindert, sich an seine Stelle zu setzen, denn 
jene Rechte sind ihm nicht bloß um seinetwillen gegeben, sondern mit Rücksicht. 
auf die Aufgaben der zivilisierten Staaten innerhalb des afrikanischen Kontinents. ') 
III. Während der völkerrechtliche Protektoratsvertrag als Vertrag 
zwischen zwei Staaten ein Staatsvertrag ist?), durch den der Oberstaat die 
Pflicht übernimmt, die Gebietshoheit des Unterstaates zu schützen, haben die 
Schutzverträge (welche keine Staatsverträge sind) den Zweck, dem Stamme 
gegen den zu leistenden Schutz die Verpflichtung aufzuerlegen, über sein Gebiet 
ohne Zustimmung des schützenden Staates zu Gunsten dritter Staaten nicht 
zu disponieren oder durch Verträge Begünstigungen anzuerkennen. Das durch 
Schutzverträge begründete Rechtsverhältnis ist ein Verhältnis von Staat zu 
Stamm, das von diesem bewohnte Land ist herrenlos im Sinne des Völkerrechts, 
da es keiner Gebietshoheit unterworfen ist, bleibt daher okkupationsfähig. 
Erst durch Okkupation tritt das herrenlose Land unter die Gebietshoheit des 
okkupierenden Staates; es wird dadurch die dem Abschluß des Schutzvertrages 
zugrunde liegende Absicht, eine dauernde Herrschaft zu Kolonisationszwecken 
in dem betreffenden Landgebiete zu begründen, durch rechtlich bedeutsame Akte 
verwirklicht. Der Schutzvertrag und die auf dessen Grundlage ausgeübte 
Schutzgewalt fungieren also als Mittel allmählicher Vorbereitung definitiver Er- 
werbung des betreffenden Gebiets; daher wird mit Recht vielfach bemerkt, 
daß das koloniale Protektorat nur eine Art verschleierter Okkupation 
bildet. 
Der Zustand zwischen dem Abschluß des Schutzvertrages und der even- 
tuellen Inkorporierung hat einen eigentümlichen staatsrechtlichen Charakter, 
der sich vornehmlich in dem Verhältnis des Schutzgebiets zum Staatsgebiet 
des betreffenden Staats und in der rechtlichen Stellung der Eingeborenen zum 
schützenden Staat äußert. So sind z. B. die deutschen Schutzgebiete der Hoheit 
des Deutschen Reichs unterworfen, ohne einen Bestandteil des Reichsgebiets 
im Sinne der Reichsverfassung zu bilden. „Sie gehören dem Reiche, aber nicht 
zum Reich“); sie sind also staatsrechtlich dem Reiche gegenüber Ausland. 
Ferner sind die Eingeborenen der Schutzgebiete nicht deutsche Reichsangehörige. 
  
1) Vgl. über diese Frage Westlake, Etudes sur les principes du dr. intern. (übers. 
von Nye) 195; Nys, U, 94; neuestens Fiore RG XIV, 151, 152. 
2) Vgl. insbesondere die Ausführungen von Heilborn a. a. 0. 8. 58 ff. 
3) Jellinek, Allg. Staatslehre $ 97, insbes. auch mit Rücksicht auf die Auffassung 
Rehm’s Allg. Staatsl. 77 ff.; Laband, Staatsr. IV, 277 u. H 189 ff.; v. Stengel, Annalen 
1889, 5$ff.; Bornhak, Arch. f.ö.R. I, 8 ff. Siehe auch Cavaglieri, Il diritto intern. ed 
alcuni recenti concessioni di territori 26 sq.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.