Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

502 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. 8 9) 
  
Die Staatsgewalt wird in diesem Gebiete vom Reich durch dessen Organe 
ausgeübt); den Schutzgebieten fehlt eigene völkerrechtliche Persönlichkeit ; 
kraft der souveränen Schutzgewalt ist das Reich allein legitimiert, Angriffe 
dritter Staaten auf das Schutzgebiet abzuwehren: Angriffe auf das Schutz- 
gebiet sind Angriffe auf das Reich. Im ganzen hat daher das Schutzverhältnis 
nicht einen bloß völkerrechtlichen, sondern staatsrechtlichen Charakter?). 
IV. Der Abschluß von Schutzverträgen hat zweifellos eine praktische 
Beziehung zu analogen Bestrebungen jener europäischen Staaten, die an der 
Kolonisation überseeischer Länder beteiligt sind. Indem durch den Schutz- 
vertrag dem schützenden Staat Herrschaftsrechte gesichert werden, soll die 
Begründung einer analogen Stellung durch dritte Staaten ausgeschlossen 
werden. Hat der Staat von seiner Okkupationsbefugnis Gebrauch 
gemacht, so gilt das Gebiet als dem Hauptstaate gehörend; der okkupierende 
Staat hat nunmehr nach Völkerrecht die Befugnis, jeden dritten Staat von 
der Besitzergreifung des okkupierten Gebietes, von der Ausübung von Hoheits- 
rechten usw. abzuhalten. Indessen stehen der Forderung, daß die Okkupation 
eine effektive sein muß, gerade für jene Gebiete, für welche jene Forderung 
und die damit zusammenhängenden Normen formell durch die Kongoakte fixiert 
sind, mancherlei tatsächliche Hindernisse entgegen; die Grenzen des okkupierten 
Gebietes lassen sich in fast unzugänglichen Gegenden nicht bestimmt fest- 
stellen. Daraus entspringt die Gefahr von Konflikten zwischen den Staaten. 
die derzeit an der Kolonisierung Afrikas beteiligt sind. Derlei Konflikten 
suchen jene Staaten, die innerhalb eines größeren Gebietes durch Ausdehnung 
ihrer kolonisatorischen Aktion untereinander kollidieren könnten, durch 
Abgrenzung ihrer Interessensphären?) vorzubeugen. Durch derlei 
Verträge schafft sich der einzelne Staat für seine bereits okkupierten bezw. 
unter seine Schutzherrschaft gestellten Gebiete ein Hinterland, in welchem 
die Okkupation ohne Gefahr einer Kollission mit den rivalisierenden Nachbar- 
mächten in Zukunft fortschreiten kann. Zu diesem Zwecke verpflichten sich 
die Kontrahenten, innerhalb der Interessensphäre des Gegenkontrahenten 
weder durch Akte der Okkupation noch durch Abschluß von Schutzverträgen 
Herrschaftsrechte zu erwerben. In dem Vertrage zwischen England und 
Portugal vom 11. Juni 1891 wird außerdem erklärt, daß Handelsgesellschaften 
und einzelne Personen, die Angehörige des einen kontrahierenden Teiles sind, 
keinerlei Hoheitrechte innerhalb der Interessensphäre des anderen Kontra- 
henten ohne dessen Ermächtigung erwerben können. Diese Verträge schaffen 
jedoch lediglich ein völkerrechtliches Verhältnis zwischen den 
Kontrahenten; jeder Kontrahent hat dem anderen gegenüber innerhalb der 
stipulierten Interessensphäre ein ausschließliches Recht zur völkerrechtlichen 
Okkupation, ein jus excludendi alium. Daher kann die rechtliche 
Wirkung dieser Verträgeniemalsinder Begründung von Gebiets- 
1) Vgl. Reichsgesetz vom 17. April 1556 (10. September 1900). 
2) Vgl. Laband H, 190. 
3) Vgl. neuestens Fiore, RG XIV, 148 sq. insbesondere 155 84. S. auch Rehn. 
Allg. Staatslelire 53, 34.
	        
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