& 105. Die internationalen Flüsse. 339
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III. Der Grundsatz der freien Schiffahrt wurde zwar nicht durch Kollektiv-
verträge der Mächte, sondern durch Vereinbarungen einer kleineren Gruppe
von Staaten des südlichen Amerika für eine Reihe südamerikanischer Flüsse
anerkannt. In dem englisch-venezolanischen Grenzstreit hatte das Schieds-
gericht (1903) sich für die Freiheit der Schiffahrt auf den Flüssen Amakourou
und Barima ausgesprochen !).
1V. Die sachlichen Gründe, die für die Internationalität der oben be-
zeichneten Ströme und Flüsse sprechen, treffen auch bezüglich jener nationalen
Flüsse zu, die in die offene See münden, bezüglich deren aber die Freiheit der
Schiffahrt derzeit noch nicht allgemein anerkannt ist2). Allein die Freiheit
der Schiffahrt auf offener See fordert ihre notwendige Ergänzung bezüglich
aller mit der offenen See unmittelbar zusammenhängenden Wasserstraßen.
Die nationalen und internationalen Wirtschaftsverhältnisse unserer Tage drängen
die Bedeutung der natürlichen und künstlichen Wasserstraßen in den Vorder-
grund, da diese den 'T’ransport jener Güter ermöglichen, die in Folge der Kost-
spieligkeit des Eisenbahntransports teilweise dem Verkehre entzogen würden’).
V. Auf Grund der heutigen konventionellen Regelung der internationalen
Flußschiffahrt gelten folgende Grundsätze. Dieinternationale Schiffbar-
keit bestimmt sich durch die Benutzbarkeit des Fahrwassers für den regel-
mäßigen Schiffsverkehr vom Meere aus; sie beginnt von der Flußmündung,
d. i. der Stelle, wo der Fluß in das offene Meer sich ergießt und reicht bis zu
der Stelle, wo jene Benutzbarkeit aufhört. Die letztere Stelle wird in der
Regel in den Konventionen bestimmt. Die Rechtsverhältnisse der internationalen
Flußschiffahrt beziehen sich also auf die zwischen den beiden Punkten liegende
Flußstrecket). Innerhalb dieser Strecke ist der Fluß den Fahrzeugen (Schiffen
und Flößen) aller Nationen zugänglich und zwar für den direkten Verkehr
wie für Kabotage. Die Freiheit der Schiffahrt umfaßt auch das Recht, Schiffe
zu landen, das Ufer für die mit der Schiffahrt verknüpften Zwecke zu benutzen,
den Leinpfad zu betreten, ferner darf der Schiffahrer Hindernisse der freien
Bewegung des Schiffes (Steine, Schlamm) entfernen usw.
VI. Das völkerrechtliche Prinzip der freien Schiffahrt ändert nichts an den
Hoheitsrechten der Uferstaaten (Jurisdiktion und Polizeigewalt) an der
ihr Territorium berührenden Flußstrecke Für die Zwecke der internationalen
Schiffahrt bilden die Uferstaaten einen Verwaltungsverein, dessen Aufgabe in
in prinzipieller Allgemeinheit für internationale Kommissionen aus, welche die Freiheit der
Schiffahrt auf allen internationalen Flüssen zu überwachen und im Kriegsfalle die Neutralität
dieser Verkehrswege zu sichern hätten.
t) Vgl. Oppenheim I, $ 178, der sich mit Recht gegen die Meinung wendet, daß
das Prinzip der freien Schiffahrt derzeit schon allgemein verwirklicht sei.
2) (iegen eine solche Anerkennung sprach sich F. v. Martens in seinem oben ange-
führten Berichte (Annuaire VlIL p. 259)aus. Dafür Engelhardt, Kamarovsky. Vgl. auch
neuestens Despagnet, Cours p. 449; Pi@deliövre, Precis I p. 326, 327.
3) Vgl. die Ichrreichen Mitteilungen von Berdrow (Beil. zur Allg. Ztg. 1896, Nr. 40,
41) über die Binnenschiffahrt der Vereinigten Staaten und ihre Zukunftswege.
4) Der Konventions-Rbein reicht bis zur Schweizer Grenze, die Konventions-Donau
bis zur lller.
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