$ 1983. Die Kriegskontrebande. 531
im Wege der Blokade der feindlichen Häfen abgeschnitten werden. So werden
nach heutiger Übung Lebensmittel vorwiegend nur dann als Kontrebande be-
handelt, wenn die Zufuhr unmittelbar einem militärischen Zwecke dient),
z. B. wenn die Lebensmittel unmittelbar einer feindlichen Flotte zugeführt
werden?). Ebenso gilt Kohle nur dann als Kontrebande, wenn der Beweis
erbracht ist, daß die Zufuhr für die Kriegszwecke des Gegners erfolgte. Geld
wird als Kontrebande behandelt, wenn es einer Kriegspartei zugeführt wird;
der Fall dürfte aber aus Gründen, die in der Gestaltung des modernen Geld-
verkehrs liegen, in der Praxis selten vorkommen. — Die zweite Voraussetzung
der Behandlung eines Gegenstandes als Kontrebande ist die feindliche
Destination. Ohne diese kann selbst bei Gegenständen der absoluten Kontre-
bande von einem Repressionsrecht der Kriegsteile nicht die Rede sein. Sie
kann nur während des Kurses des Schiffes und zwar jederzeit (nicht erst etwa
in dem Augenblicke des Versuchs, einen feindlichen Hafen zu erreichen) aus
den Schiffspapieren konstatiert werden. Daher ist nach erfolgter Löschung
der verbotenen Waren jede Repression gegen das Schiff auf der Weiter- oder
Rückreise ausgeschlossen.
Die normalen Fälle der verbotenen Zufuhr von Kontrebande charakterisieren sich als
direkte Zufuhr; sie liegt vor, wenn Schiff und verbotene Ladung nach den Schiffspapieren
für einen feindlichen Hafen bestimmt sind, ferner, wenn das Schiff sich auf der Fahrt nach
einem solchen Hafen befindet, während die Schiffspapiere einen neutralen Hafen als Be-
stimmungsort bezeichnen, endlich wenn Schiff und Ladung für einen neutralen Hafen bestimmt
sind, das Schiff jedoch einen feindlichen Hafen anzulaufen oder während der Fahrt feindliche
Streitkräfte auf offener See zu erreichen versucht. Die Versuche verbotener Zufuhr beschränken
sich jedoch in der Praxis nicht auf die bezeichneten Fälle. Es kommt vor, daß nach den
Schiffspapieren für einen neutralen Hafen, in Wirklichkeit aber für den Feind bestimmte
Ware nach dem neutralen Hafen verbracht wird, um aber in der Folge nach einem feindlichen
Hafen verbracht zu werden. Die Frage, ob (unter der Voraussetzung des Beweises der feind-
lichen Destination) ein solches Schiff sich schon auf der Fahrt nach dem neutralen Hafen einer
Kontravention schuldig mache, wurde im amerikanischen Sezessionskrieg an der Hand der
Theorie der ununterbrochenen Reise (continuous voyage) und des Grundsatzes dolus non
purgatur circuitu bejaht. Den gleichen Standpunkt nimmt gegenüber solchen Fällen der
"Zufuhr auf Umwegen auch England ein.) In der Praxis kommen ferner Fälle vor, in
denen Waren, die bei feindlicher Destination Kontrebande wären, nach einem neutralen Hafen
gebracht werden, um dann zu Wasser oder zu Land dem Feinde zugeführt zu werden. Auch
hier hatte die amerikanische Prisenpraxis die Theorie über cont. voyage (in den Fällen der
Schiffe „Springbok“ und „Peterhoff“) angewendet (Doctrine of cont. transports). Denselben
Standpunkt nahm England (1900) *) in den, Fällen der deutschen Schiffe „Bundesrat“, „Herzog“
und „General*°) ein — im Gegensatze zur früheren Praxis (1798 Fall „Imina*) und dem
1) Den alten Standpunkt nahm Frankreich im Kriege mit China 1584, 1885, Rußland
(anfänglich) im Kriege mit Japan 1904 bezüglich der Zufuhr von Reis ein.
2) England verbot 1870 nur die Zufuhr von Kohlen an die französische Flotte, nicht
die Koblenausfuhr nach Frankreich.
3) Vgl. Holland, Manual ef Naval Prize Law (publ. mit Genehmigung der britischen
Admiralität) $ 71. — Im ganzen Oppenheim II, $$ 399 sq.
4) Vgl. Oppenheim, Il, $$ 401, 402.
5) Diese Schiffe wurden von englischen Kreuzern auf der Fahrt nach dem neutralen
Hafen in Lorengo Marquez in der Delagoa-Bai unter dem Verdacht der Zufuhr von Kontre-
bande aufgegriffen. England berief sich auf die definitive feindliche Destination der Ware.
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