540 Achtes Buch. Die intern. Streitixkeiten u. deren Erledigung ete. $ 193,
der status quo post bellum maßgebend sein’. Die Frage nach dem Inhalt des uti possidetis
kann zweifelhaft sein, wenn der Zeitpunkt der Einstellung der Feindseligkeiten nicht durch
einen Waffenstillstand festgestellt ist.
2. Im Gegensatze zum Altertum und Mittelalter kommen Eroberungen?) in obigem
Sinne in der Neuzeit seltener vor?). Die Kapitulationen pflegen Abmachungen über die
Angelegenheiten des depossedierten Sonuveräns und seiner Familie, sowie über das Privat-
vermögen, ferner über das Heer und die Beamten zu enthalten‘). Das publizistische Ver-
hältnis des Eroberers (Usurpators) zu dem eroberten Lande und zum Volk kann durch die im
Laufe der Zeit etwa erfolgende Verzichtleistung des Depossedierten oder seiner Nachkommen
jene sichere juristische Grundlage erlangen, welche sonst die in einem Friedensschluß sich
vollziehende Gebietszession dem Erwerber bietet. So lange es zu einer solchen Verzichtleistung
nicht gekommen ist, pflegen die Depossedierten, ohne deren ausdrückliche Willenserklärung
der neue Zustand geschaffen worden ist, ihre Interessen durch Protest geltend zu machen.
Derlei Proteste gegen Eroberungen und Einverleibungen bisher selbständiger Staatswesen
können auch von dritten Staaten ausgehen).
Im Gegensatze zur bloßen Okkupation oder feindlichen Invasion bedentet die Debellation
die rechtliche Aufhebung der bisherigen staatlichen Ordnung und die Nachfolge des Siegers
in das Herrschaftsrecht über den Staat. Der neue Herrscher ist sowohl den Untertanen wie
dem Auslande gegenüber der Souverän®). Folgemäßig ist er berechtigt, die Verfassung und
die Gesetzgebung des Landes zu ändern, sowie privatrechtliche Dispositionen über das Staats-
vermögen vorzunehmen, überhaupt alle mit der Herrschaft verknüpften Rechte auszuüben.
Daher müssen im Falle der Restauration die während der Zwischenherrschaft vorgenommenen
Herrschaftsakte und begründeten Rechtsverhältnisse, mit Ausnahme der rechtlichen Grundlage
der Herrschaft des Usurpators selbst, von dem restaurierten Herrscher anerkannt werden’),
während im Falle der Beseitigung einer feindlichen Okkupation der an der Ausübung seines
Herrschaftsrechts lediglich verhinderte Herrscher nur gewisse mit der Kriegführung ver-
knüpfte Maßregeln des Okkupanten anerkennen muß.
$ 198. Beendigung des Krieges durch Friedensschluß. Die normale
Art der Beendigung eines Krieges ist der Abschluß des Friedensvertrags.
Durch übereinstimmende Willenserklärung der beiden Kriegsteile soll der
Streitfall seine definitive Erledigung und das aus Anlaß dieses Streitfalls ent-
standene Kriegsverhältnis seine Endigung finden. Die Initiative zum Friedens-
1) Anderer Meinung insbesondere Phillimore, der den status quo ante bellum für
maßgebend erachtet. — Die Frage, ob der status quo post oder ante bellum entscheidet, ist
von größter Wichtigkeit in Fällen, in denen ein Kriegsteil zur Zeit der Einstellung der
Feindseligkeiten einen Teil des feindlichen Gebietes besetzt hält.
2) Heimburger, Der Erwerb der Gebietshoheit S. 121 ff.; v. Kirchenheim a.a. O0.
S. 792; Bluntschli, Völkerrecht $$ 701, 702; Rivier, Principes 11 p. 436 sq.
3) 1859, 1860: Parma, Modena, Lucca, Toskana, das Königreich beider Sizilien; 1966:
Hannover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt a. M.; 1870: der Kirchenstaat.
4) Z. B. die Kapitulation von Langensalza vom 29. Juni 1866.
5) Z. B. der Protest Großbritanniens und Frankreichs gegen die Annexion Krakaus
seitens Österreichs 1946.
6) Brockhaus in Holtzendorff’s Rechtslexikon s. v. „Postliminium“: „Das Recht des
depossedierten Souveräns verliert damit“ (daß der feindliche Machthaber in den vollständigen
Besitz der Herrschaft gelangt ist) „jede staats- und völkerrechtliche Bedeutung“. Vgl. auch
Desselben Legitimitätsprinzip S. 322 ff.
7) Unbeschadet des Rechts, die von dem Zwischenherrscher geschaffenen Änderungen
auf verfassungsmäßigem Wege zu beseitigen. Nur diejenigen Normen, auf denen die
Zwischenherrschaft selbst beruht, sind ipso jure mit der Restauration des früheren Herrschers
null und nichtig.