— 42 —
der König ernennt und entläßt die Minister. In der Ver-
fassung steht nichts davon, daß das Abgeordnetenhaus den
König zwingen kann, einen Minister zu entlassen; und das
Abgeordnetenhaus hat vier Jahre lang sich bemüht, den König
zu zwingen, den Minister von Bismarck-Schönhausen zu ent-
lassen. In der Verfassung steht nichts davon, daß das Ab-
geordnetenhaus allein bestimmen darf, welches Geld und
wieviel ausgegeben werden soll und welches nicht; in der
Verfassung steht eigens, daß der Voranschlag durch Gesetz
festgestellt werden soll, daß Herrenhaus und König auch dabei
mitreden sollen, daß also die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses
nur dann gelten, wenn König und Herrenhaus dazu Ja gesagt
haben. Trotzdem sagten die Abgeordneten: „Es ist verfassungs-
widrig, wenn die Regierung Ausgaben macht, die von dem
Abgeordnetenhause ausdrücklich abgelehnt worden sind.“ Das
nannten sie ihr Budgetrecht; und damit wollten sie den König
zwingen, alles zu tun, was sie wollten. Denn wenn er einmal
nicht folgte, wollten sie einfach ein paar notwendige Ausgaben
nicht bewilligen; und dann, meinten sie, müßte der König
nachgeben, wie die rechte Mutter im Urteil Salomonis, damit
das Land keinen Schaden erlitte.
Genug, die Herren, die gegen den König und gegen
Bismarck kämpften im Verfassungskonflikt, die dachten gar
nicht an die wirkliche Verfassung, wie sie beschworen war;
sondern die dachten sich eine ganz andere Verfassung, die sich
manche Leute schon im achtzehnten Jahrhundert ausgedacht hatten,
und die man durch die Revolution hatte einführen wollen.
Nach dieser erdachten Verfassung, die aber bei uns niemals
gegolten hat und niemals gelten wird, ist nicht der König
der eigentliche Souverän, sondern das Volk. Mit Volk meint
man dabei jeden beliebigen Haufen Menschen, der sich auf
einem Platze oder in einem Saale versammelt. Durch solches
Versammeln kommt nämlich, so meint man, plötzlich Regierungs-