Full text: Fürst Bismarcks Lebenswerk.

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der König ernennt und entläßt die Minister. In der Ver- 
fassung steht nichts davon, daß das Abgeordnetenhaus den 
König zwingen kann, einen Minister zu entlassen; und das 
Abgeordnetenhaus hat vier Jahre lang sich bemüht, den König 
zu zwingen, den Minister von Bismarck-Schönhausen zu ent- 
lassen. In der Verfassung steht nichts davon, daß das Ab- 
geordnetenhaus allein bestimmen darf, welches Geld und 
wieviel ausgegeben werden soll und welches nicht; in der 
Verfassung steht eigens, daß der Voranschlag durch Gesetz 
festgestellt werden soll, daß Herrenhaus und König auch dabei 
mitreden sollen, daß also die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses 
nur dann gelten, wenn König und Herrenhaus dazu Ja gesagt 
haben. Trotzdem sagten die Abgeordneten: „Es ist verfassungs- 
widrig, wenn die Regierung Ausgaben macht, die von dem 
Abgeordnetenhause ausdrücklich abgelehnt worden sind.“ Das 
nannten sie ihr Budgetrecht; und damit wollten sie den König 
zwingen, alles zu tun, was sie wollten. Denn wenn er einmal 
nicht folgte, wollten sie einfach ein paar notwendige Ausgaben 
nicht bewilligen; und dann, meinten sie, müßte der König 
nachgeben, wie die rechte Mutter im Urteil Salomonis, damit 
das Land keinen Schaden erlitte. 
Genug, die Herren, die gegen den König und gegen 
Bismarck kämpften im Verfassungskonflikt, die dachten gar 
nicht an die wirkliche Verfassung, wie sie beschworen war; 
sondern die dachten sich eine ganz andere Verfassung, die sich 
manche Leute schon im achtzehnten Jahrhundert ausgedacht hatten, 
und die man durch die Revolution hatte einführen wollen. 
Nach dieser erdachten Verfassung, die aber bei uns niemals 
gegolten hat und niemals gelten wird, ist nicht der König 
der eigentliche Souverän, sondern das Volk. Mit Volk meint 
man dabei jeden beliebigen Haufen Menschen, der sich auf 
einem Platze oder in einem Saale versammelt. Durch solches 
Versammeln kommt nämlich, so meint man, plötzlich Regierungs-
	        
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