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hatte, mögen folgende Beispiele beweisen. Einst ritt der Kurfürst,
von einem einzigen Diener begleitet, vor Wittenbergs Thoren spa—
zieren. Hier traf er eine Schar fröhlicher Kinder, welche nicht blos
um einen daliegenden großen Bottich herumsprangen, sondern sich
auch in das Innere desselben wagten. Der Kurfürst hielt sein Roß
an und sah dem Spiele der Kinder mit sichtbarer Freude zu. Diese
kannten den leutseligen Fürsten und hatten schon oft Beweise seiner
Liebe erfahren. Ungestört setzten sie ihre Spiele fort, und was machte
der kinderfreundliche Kurfürst? Er schickte seinen Diener nach Meth
und Semmel in die Stadt und ließ diese Gaben unter die Kinder
vertheilen. Neuer Jubel brach unter der beglückten Kinderschar aus
und der Kurfürst ergötzte sich an der Unschuld und an den verklärten
Gesichtern dieser Kleinen.
Befand sich der Kurfürst auf Reisen in fremden Ländern, so
freute er sich ebenfalls, sobald ihm muntere, fröhliche Kinder begegneten,
und er ließ nicht selten Geld unter sie vertheilen. Einst sagte er bei
dieser Gelegenheit zu seinem Kammerdiener: „Lieber, gieb ihnen allen
reichlich, denn sie werden nach Jahren noch sagen: „Einst zog ein
Herzog von Sachsen vorüber und beschenkte uns, da wir noch kleine
Kinder waren, mildiglich.“ Namentlich wandte sich seine Liebe
den armen, verlassenen Kindern und den Waisen zu. Da
scheute er keine Mittel, diesen Kindern fortzuhelfen und für ihre Er—
ziehung und Ausbildung zu sorgen. An vielen erlebte er auch für
sein Sorgen und Mühen die innigste Freude, „denn aus diesen
Knaben,“ sagte sein Hofprediger Spalatin, „ist mancher ein
frommer, ehrlicher Mann geworden.“ Eines Abends saß der Kur—
fürst mit einem seiner Beamten zusammen und sprach bei dieser Ge—
legenheit mit sichtbarer Freude von seinen Pflegekindern. Er zählte
sie nämlich zusammen und fand, „daß ihrer etliche Hundert waren.“
Ein Kinderfreund ist auch ein Freund der Erwachsenen und
dies war auch der Kurfürst. Ihm lag das Wohl aller seiner Unter—
thanen, waren sie hoch oder niedrig, reich oder arm, am Herzen.
Sein Glück sollte auch das Glück seiner Unterthanen sein und ihr
Glück erhöhte zugleich sein Glück. Niemandem sollte und durfte
Unrecht geschehen. Damals hatten die Bauern noch wenig Rechte.
Die Edelleute schalteten gewöhnlich nach Belieben mit ihnen. So
machte sich z. B. ein Junker des Kurfürsten nicht das geringste Ge—
wissen daraus, eines Tages durch die grünenden Kornfelder zu reiten
und das Getreide von den Hufen seines Rosses schonungslos nieder-
treten zu lassen. Der Kurfürst bemerkte diese Rohheit mit dem
größten Unwillen, sagte aber jetzt absichtlich nichts. Abends saß
dieser Junker mit an der kurfürstlichen Tafel. Der Kurfürst hatte
seinen Dienern geboten, an den Platz des Junkers kein Brot zu
legen. Ohne davon etwas zu ahnen, nahm der Tischgenoß Platz,