Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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hörte ihn die bethörte und unwissende Menge. Sein Anhang wuchs 
mit jedem Tage und nun zog er aus, zu plündern und zu rauben, 
zu sengen und zu morden und war dabei so frech, zu sagen, der Vater 
im Himmel habe es ihm befohlen und Gott habe ihm alle Macht 
der Erde gegeben. 
Am tollsten wüthete er in den Klöstern, sowie in den Schlössern 
der Adeligen. Er zertrümmerte die Altäre, zerstörte kostbare Gemälde, 
nahm die Glocken von den Kirchthürmen und ließ sie zu Kanonen 
umgießen, mißhandelte die Mönche und verübte andere Grausamkeiten. 
In Mühlhausen erstürmte er mit seiner Rotte das Rathhaus, jagte 
die Rathsherren zur Stadt hinaus und nahm nun selbst die Bürger- 
meisterstelle ein. Obgleich er den Leuten vorpredigte, die Obrigkeiten 
müßten abgeschafft werden, so scheute er sich doch nicht, die obrigkeit- 
liche Gewalt an sich zu reißen, nicht um das Volk, sondern um sich 
selbst war es ihm zu thun; aber die unwissende Menge blieb ver- 
blendet. 
Münzers Anhang wuchs täglich. Die Bauern verließen Haus. 
und Hof und scharten sich um ihren Lügenprophet. 
Diesem Unwesen konnten die Fürsten nicht länger ruhig zu- 
sehen; sie riefen ihre Mannen zusammen und rückten den Empörern 
entgegen. An der Spitze von 8 — 9000 Banern stand Münzer in der 
Gegend von Frankenhausen (im jetzigen Fürstenthum Schwarzburg- 
Rudolstadt). Hier verschanzte er sich in aller Eile auf einem Berge, 
der heute noch Schlachtberg heißt. Hinter seiner Wagenburg. 
waren die Bauern aufgepflanzt, die einen eigenen Anblick gewährten. 
Manche trugen zwar Flinten, Degen und Lanzen, andere aber schwangen 
in ihren nervigen Händen Dreschflegel und Heugabeln. 
Nun wollte es Münzer auch anderen Feldherren gleichthun 
und seine Scharen durch begeisterte Ansprachen zur Tapferkeit er- 
muthigen. Dies zu thun hatte er auch alle Ursache, denn beim 
Herannahen der Truppen ergriff viele der irregeleiteten Bauern 
Furcht und Schrecken und diese hielten es am gerathensten, sich gar 
nicht an der Schlacht zu betheiligen, sondern vor Beginn derselben 
die Flucht zu ergreifen. Um dem Ausreißen vorzubeugen, säumte 
Münzer mit seiner Ansprache nicht länger. „Gott ist mit uns!“ 
rief er seinen zitternden Leuten zu. „Wer von Euch heute in den 
vorderen Reihen fällt, der steht hinten wieder auf, wenn die anderen 
vorübermarschirt sind. Die Kugeln, die von den Feinden auf uns 
geschossen werden, fange ich alle in meinem weiten Priestermantel 
auf.“ — Wie entsetzlich groß muß damals die Unwissenheit gewesen 
sein! Kaum hält man es für möglich, und doch war es so: Die 
unwissende Menge glaubte diesen Unsinn. Münzer hatte für den 
Augenblick erreicht, was er erreichen wollte. Die Bauern blieben 
bei ihren Fahnen und zeigten sich so kampflustig, daß sie augenblicklich
	        
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