Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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machen, wurden unterlassen. Sehr leicht wäre es ihm auch gewesen, 
sich in seine Festung Wittenberg zurückzuziehen, welches Bollwerk. 
dem Kaiser schwerlich in die Hände gefallen sein würde, sobald es 
nur in tüchtigen Vertheidigungszustand gesetzt worden wäre. 
Der Kaiser folgte dem Kurfürsten auf dem Fuße. Bei seinem 
Zuge berührte er auch die Stadt Leisnig, deren Einwohner die 
treueste Anhänglichkeit an den geächteten Kurfürst an den Tag gelegt 
hatten. Die Kunde von der Ankunft des Kaisers- setzte alles in 
Schrecken und Angst, denn in jener Zeit kannte der Sieger kein Er- 
barmen und kein Schonen. Am 21. April hielten der Kaiser, König 
Ferdinand, die Herzöge Moritz und sein Bruder August, der 
kaiserliche Feldherr Alba und viele andere hohe Herren ihren Einzug 
in Leisnig. Auf den Straßen wogten so dichte Menschenmassen 
durcheinander, daß der Bürgermeister, der Stadtschreiber und andere 
Abgeordnete, welche den Kaiser um Gnade für die Stadt bitten 
wollten, erst nach großer Anstrengung ihr Ziel erreichten. 
Vor dem Kaiser angelangt, fielen die Abgeordneten auf ihre 
Knie, und der Stadtschreiber brachte ebenfalls kniend seine Bitte für 
die Stadt an. Obgleich der Kaiser die deutsche Sprache ziemlich 
verstand, so liebte er sie doch so wenig, dh er durch einen Dolmetscher 
mit den Abgeordneten sprach. Dieser ergriff, nachdem der Stadtschreiber 
seine Fürbitte geendet, das Wort, aber der Kaiser unterbrach ihn, 
indem er sagte: „Nit also! Nit also!“ worauf er ihm einiges heimlich 
ins Ohr flüsterte. Jetzt fuhr der Dollmetscher in seiner Antwort fort, 
nannte den Kurfürsten ihren „gewesenen“ Herrn und meinte, der 
Kaiser wolle die armen Unterthanen nicht bestrafen, wohl aber den 
„Principal“. Dieser ungebührliche Ausdruck gefiel dem Kaiser 
so sehr, daß er ausrief: „Recht so, den Principal, den Principal!“ 
Noch immer lagen die Abgeordneten auf ihren Knien und boten 
nun dem Kaiser ein Geschenk von 50 Scheffeln Hafer an. Nachdem 
der Dolmetscher erklärt hatte, daß der Kaiser dieses Geschenk annehmen 
wolle, rief dieser: „Uff! Uff!“ reichte jedem die Hand und entließ sie. 
Abgeordnete und Einwohner waren über diese Aufnahme ganz entzückt, 
und in der That hatte man damals von Glück zu sagen, wenn der 
Sieger den Bewohnern einer eingenommenen Ortschaft nicht mit 
Feuer, Schwert und Galgen antwortete. 
Gar bald sollte diese Freude in Angst und Furcht umschlagen. 
Einige Bewohner hatten sich in ihrem unbesonnenen Eifer an den 
kaiserlichen Soldaten vergriffen. Darüber aufs höchste entrüstet, nahm 
der Kaiser sein Versprechen wieder zurück und wollte die Stadt nebst 
den umliegenden Dörfern in Brand stecken lassen. Was schon der 
bloße Name eines berühmten Mannes und was die Tugend der Dank- 
barkeit zu bewirken vermag, davon konnten sich Leisnigs Bewohner 
in jener Stunde deutlich überzeugen. Ein kaiserlicher Offizier hatte
	        
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