— 224 —
mannhafte Graf v. Stahremberg) erkannte augenblicklich die Größe
der Gefahr. Die Stadt noch länger zu halten, war eine Unmöglichkeit.
Eiligst erstieg er den hohen Stephansthurm, schaute weit aus, ob
Hilfe nahe und ließ eine Rakete aufsteigen, zum Zeichen, daß die
Noth groß sei. Und siehe da, in der Ferne flatterten rothe Fahnen
und Raketen stiegen auf. Die ersehnte Hilfe nahte!
Deutschlands Fürsten hatten das Vordringen der Türken nicht
ruhig mit angesehen. Sie erkannten die Größe der Gefahr, welche
Deutschland drohte, sie rüsteten ihre Heere aus und übertrugen dem
Herzoge Karl von Lothringen den Oberbefehl. Unser Kurfürst begnügte
sich aber nicht damit, seine Truppen auszusenden, er stellte sich selbst
an ihre Spitze, brach im August 1683 von Sachsen auf, zog durch
Böhmen und vereinigte seine Truppen mit der Hauptarmee. Selbst
der König von Polen (Johann Sobieski) wollte mit Theil nehmen
an dem Kampfe gegen die übermüthigen Türken und eilte mit einem
auserlesenen Heere, namentlich mit 12 000 Mann Reiterei, herbei.
Vor Wiens Thoren mußte sich's entscheiden, ob Deutschland deutsch
bleiben, oder ob es seinen Nacken unter das türkische Joch beugen sollte.
Fünf Kanonenschüsse gaben am 12. September (2. alten Stils)
das Zeichen zum Angriff. Ein Kampf entbrannte auf Leben und
Tod. Die Erde erdröhnte. Deutsche und Polen kämpften wie Löwen,
aber auch die Türken stritten mit wahrer Todesverachtung. Und
unser Kurfürst? Wir finden ihn auf dem linken Flügel des Christen-
heeres. Hier kommandirte er die Reiterei und stürmte unaufhaltsam
in das türkische Lager ein. Noch schwankte das Kriegsglück; denn die
Uebermacht der Türken war zu groß. Auf sie baute trotzig ihr An-
führer. Wuthentbrannt ließ er auf seine eigenen Truppen einhauen,
sobald sie wichen; racheschnaubend ließ er die gefangenen Christen
niedermetzeln.
Der Sieg blieb zweifelhaft. Da raffte das vereinte Christenheer
noch einmal seine ganze Kraft zusammen, noch einmal stürmt unser
Kurfürst mit seiner Reiterei in unwiderstehlicher Wucht gegen die
Feinde und siehe da, abends 6 Uhr ist nach saurer Arbeit der glän-
zendste Sieg über die übermüthigen Türken errungen. In wilder
Eile ergreifen sie die Flucht, ihr Lager mit allen seinen Schätzen,
370 Kanonen, eine Kriegskasse mit mehr als 2 Millionen Thaler oder
6 Millionen Mark und das kostbare Zelt ihres Anführers zurücklassend.)
Während die Sieger gierig über die reiche Beute herfallen,
finden wir unsern Kurfürsten mit der Verfolgung des Feindes be-
)0VdDa dem Anführer der Türken, dem Großvezier Kara Mustapha,
die lange anhaltende Belagerung Wiens als Fehler angerechnet wurde, was
Sachverständige auch bestätigen, während welcher Zeit Ersot herbeieilen konnte,
so ließ ihn der Sultan enthaupten.