Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Wiederholt hatte man von Frankfurt a. M. aus an unsern Kur- 
fürsten das Verlangen gestellt, Klettenberg entweder auszuliefern, oder 
ihn hinrichten zu lassen, weil er im Duell einen Edelmann erstochen 
habe. Hätte sich Klettenberg auf dem Königstein ruhig verhalten, so 
würde jedenfalls weder das Eine, noch das Andere geschehen sein. 
Durch seine wiederholten Fluchtversuche lieferte er sich dem Tode selbst 
in die Hände. Als ihm sein Todesurtheil angekündigt wurde, hielt 
er das Ganze für Scherz und sagte lächelnd: „Auf meinem Sarg- 
holze singen noch die Vögel.“ Nur zu bald sollte er sich vom Gegen- 
theil überzeugen. Daß er ein höchst sonderbarer Mann war, beweist 
seine, auf seinem letzten Lebensgange (den 29. Februar 1720) aus- 
gesprochene Bitte. Er bat nämlich um „die Gnade“, ihm nach der 
Enthauptung seine Perücke wieder aufzusetzen. 
74. Ferruhutsz Gründung, 1722. Hie kvangelisch- lutherische Brüder— 
gemeinde. Graf Mikolaus Ludwig von Zinzendorf.— Andere verdienstvolle 
Männer: Johann Hübner; Christtan Gottlieb Schröter. 
Zwischen Löbau und Zittau liegt die Colonie Herrnhut, welche 
gegenwärtig fast 1200 Einwohner zählt. Herrnhut ist der Stamm= und 
Hauptort der evangelisch-lutherischen Brüdergemeinde. Mit Entstehung 
dieser Gemeinde, sowie mit Herrnhuts Begründung hat es folgende 
Bewandtniß. Im 15. Jahrhunderte hatte man mit Feuer und 
Schwert gegen die Hussiten gewüthet und Tausende und aber Tausende 
derselben waren von der Erde vertilgt worden. Im dreißigjährigen 
Kriege brach über die evangelischen Christen in Böhmen eine noch 
schwerere Zeit herein. Wer nicht zur katholischen Kirche überging 
oder ein neues Vaterland aufsuchte, verfiel dem bittersten Elende oder 
dem Tode. Trotz der schweren Verfolgungen hatte sich in Böhmen 
und Mähren ein kleiner Ueberrest der Hussiten erhalten, welcher in 
stiller Zurückgezogenheit seines Glaubens lebte. Um den fortgesetzten 
Bedrückungen zu entgehen, verließen die schwer Geprüften in aller 
Stille ihr Vaterland und wandten sich in die Oberlausitz, nach 
Berthelsdorf, ein dem Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf 
gehöriges Rittergut. 
Mit offenen Armen nahm dieser fromme Mann seine Glaubens- 
brüder auf und erlaubte ihnen, sich bei Berthelsdorf anzubauen. Am 
17. Juli 1722 fällte man den ersten Baum zum ersten Hause. Die 
neue Colonie wuchs mit jedem Tage und erhielt nach zwei Jahren 
den bedeutungsvollen Namen Herruhut. Die nächste Veranlassung 
zu diesem Namen gab der nahe Hutberg; dann aber wollte man sich 
vor allem daran erinnern, daß die neue Gemeinde sich jederzeit unter 
die Hut, d. h. unter den Schutz des allmächtigen Herrn der Kirche
	        
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