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erlernen, und trat auch bald seine Lehrzeit an. Die Profession sagte
aber dem jungen Lehrling nicht zu und er entlief deshalb seinem
Meister wieder. Eiligst wurden Boten ausgesendet, die den Ent—
laufenen aufspüren und ihn wieder zurückbringen sollten, indes sie
kehrten unverrichteter Sache zurück. Der Flüchtling hatte nämlich in
seiner Angst einen Baum erklettert und war in diesem Verstecke den
Blicken seiner Verfolger entgangen. Glücklich zu Hause angelangt,
wurde Rath gehalten, was weiter geschehen sollte. Von der Buch-
binderei wollte Gottfried durchaus nichts mehr wissen. Nach Straß-
burg stand sein Sinn, um hier bei seinem Onkel (Vaters Bruder“)
die Orgelbaukunst zu erlernen. Wohl ahnte seine Mutter nicht, als
sie diesen Plan unterstützte, daß sie dadurch ihren Sohn auf eine
Laufbahn führte, die seinen Namen weltberühmt machen und für alle
Zeiten in Ehren erhalten würde.
Straßburg war glücklich erreicht, und sehr bald zeigte es sich,
daß der junge Silbermann in der Orgelbaustätte den rechten Platz
gefunden hatte. Hier entwickelte sich sein Talent mit Riesenschritten,
und mit Gewißheit war vorauszusehen, daß er in der Orgelbaukunst
einst Großes leisten würde. So kam es auch. Da Silbermann zur
einstigen Gründung einer eigenen Werkstatt aus dem väterlichen
Hause keine Beihilfe erwarten konnte, so übte er schon frühzeitig die
Tugend der Sparsamkeit. Ausgerüstet mit den schönsten Kenntnissen
im Orgelbaufache und versehen mit einer namhaften, mühsam ersparten
Summe Geldes, kehrte Silbermann in sein Vaterland zurück. Sogleich
legte er in Freiberg eine große Werkstatt an""), von welcher aus
sein Name in kurzer Zeit in ganz Europa rühmlichst bekannt wurde.
Mit der größten Genauigkeit, fast möchte man sagen, mit peinlichem
Eigensinn führte er selbst die kleinsten Arbeiten aus. War ein
Instrument nicht ganz nach Wunsch ausgefallen, so griff er nicht
selten nach der Axt und zerschlug es auf der Stelle. Nur schwer
konnten ihm seine Gehilfen zu Dank arbeiten, und merkwürdig, ob-
gleich sie bei dem berühmtesten Orgelbauer ihrer Zeit in Arbeit
standen, so gelang es nur wenigen, selbst große Meister zu werden.
Jahr aus, Jahr ein mußte nämlich jeder Geselle ein und dieselbe
Arbeit liefern. Einer seiner Gehilfen, welcher 30 Jahre lang bei
ihm in Arbeit stand, fertigte in diesem langen Zeitraume Tag für
Tag nichts weiter, als Wellen (Walzen) und Aermchen. Durch diese
Einrichtung gewann der Meister höchst geschickte Arbeiter für jeden
einzelnen Zweig seiner Werke und es erlangten dieselben deshalb
eine Vollendung, die weit und breit Bewunderung erregte. «
*) Nach anderen, aber irrthümlichen Angaben war es sein ältester
Bruder, Andreas.
**) Das Haus trägt jetzt eine hierauf bezügliche Inschrift.