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Behörde ein, an welche alle Kammer- und Landeseinkünfte abgeliefert
werden mußten.
Am 9. September rückten die Preußen in Dresden ein, und
Tags darauf schlug Friedrich seinen Wohnsitz ebenfalls daselbst auf.
Sogleich entsendete er seinen Feldmarschall Keith an den Hof und
ließ die Kurfürstin (Marie Josephe), die mit dem Kurprinzen
Friedrich Christian in Dresden zurückgeblieben war, auf die höflichste
Weise begrüßen. Wiederum waren dies nur leere Worte. Kaum
hätte der Feind willkürlicher verfahren können, als es von Friedrich
geschah. Er ließ die Schweizergarde im Schlosse entwaffnen, die
Landeskassen mit Beschlag belegen, das Zeughaus ausräumen und
250 Kanonen nach Magdeburg schaffen, die Gehalte der Beamten
auf den sechsten Theil vermindern 2c.
Obgleich Friedrich durch Verrath von den Verhandlungen
Rußlands, Oesterreichs und Sachsens in Kenntniß gesetzt worden war,
so genügten ihm diese Mittheilungen doch nicht. Er wollte sich selbst
die Papiere im geheimen Kabinet verschaffen. Dasselbe befand
sich in drei Gemächern des Schlosses und stand mit einem Zimmer
der Kurfürstin in Verbindung. In ihren Händen allein befanden sich
die Schlüssel zu diesem Staatsheiligthum. Im Auftrage Friedrichs
ließ sich ein preußischer General (Wylich, zum Kommandanten von
Dresden ernannt) die Schlüssel ausbitten. Mit eines Mannes Stand-
haftigkeit verweigerte die Kurfürstin die Herausgabe derselben. Endlich
traf man Anstalten, die Thür mit Gewalt zu öffnen. Auch dies
schreckte die Kurfürstin nicht. Mit ihrem Körper deckte sie die Eingangs-
thür. Da schritt rohe Gewalt zu einer Maßregel, welche die Urheber
derselben nur schändet. Die Kurfürstin wurde nämlich mit Gewalt
von der Thür entfernt.)) Aus den zusammengerafften Papieren ließ
Friedrich eine Schrift zusammensetzen, in welcher er den gethanen
Gewaltstreich zu rechtfertigen suchte, was ihm freilich nicht einmal
seinen Freunden gegenüber gelingen wollte.)
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*) Das Rohe dieser Handlung erkannten die Veranstalter nur zu gut,
weshalb der ganze Hergang preußischerseits in einem etwas milderen Lichte
dargestellt wird. Der oben erwähnte General habe sich persönlich zur Kur-
fürstin begeben und sie um Aushändigung der Schlüssel gebeten. Da alle
seine Bitten erfolglos gewesen, die Kurfürstin vielmehr erklärt habe, im
äußersten Falle die Eingangsthür mit ihrem Körper zu decken, sei der General
auf seine Knie gefallen, habe die Kurfürstin flehentlich um Herausgabe der
Schlüssel gebeten und endlich hinzugefügt, daß er bei fortgesetzter Weigerung
sich genöthigt sehe, Gewalt zu brauchen, worauf die Kurfürstin die Schlüssel
ausgeliefert habe.
*“) In einem Schriftstücke vom 4. Mai 1758 ist selbst von einem
preußischen Gesandtschaftssekretär dieser Ueberfall eine Handlung genannt,
„die alle Welt verschmäht“. Ferner: „Die meisten Stimmen in der Ver-
sammlung der Völker Europas sind gegen uns.“