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weise nach Dresden, drangen in das Schloß ein und schrieen um Brot.
Der sonst so wohlthätigen Landesmutter blutete das Herz, weil sie
das Flehen dieser Unglücklichen unerfüllt lassen mußte. Wie ein Wurm
nagte der Gram an ihrem Herzen. Ihre Lebenskraft brach zusammen.
Getrennt von ihrem Gatten und von zweien ihrer Söhne, deren
Schicksal sie tief bekümmerte, in der letzten Zeit tief gekränkt von
einem übermüthigen Feinde, niedergebeugt von des Landes Elend,
ging die Kurfürstin noch im Laufe desselben Jahres (17. November)
zur ewigen Ruhe ein.“)
Im Winter von 1756 zu 1757 traf Friedrich die großartigsten
Zurüstungen zu einem neuen Feldzuge. In Sachsen wurden Rekru-
tirungen für die preußische Armee ausgeschrieben, und konnte man
auf den Straßen junge Leute, herrschaftliche Diener, ältere Schüler
ergreifen, so stellte man sie gewaltsam unter preußische Fahnen.
Friedrich wußte nur zu gut, daß Europa eine halbe Million
Streiter gegen ihn unter die Waffen rufen werde, denen er höchstens
300 000 entgegenstellen konnte. Ihm lag daher alles daran, seinen
Gegnern zuvorzukommen, und er wollte deshalb seine Hauptkraft
zunächst gegen den mächtigsten seiner Feinde, gegen Oesterreich, richten.
Jetzt beging die sonst so kluge und umsichtige Kaiserin Maria Theresia
einen gewaltigen Fehler, der ihrem Gegner sehr zu statten kam. Sie
ernannte nämlich den schon oben erwähnten Prinz Karl von Lothringen
zum Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres und nicht den erfahrenen
kriegskundigen Feldmarschall Grafen Braun (Brown). Letzterer hatte
einen ganz anderen Kriegsplan entworfen, als der Oberbefehlshaber.
Braun wollte den Preußen zuvorkommen und sie in Schlesien und
Sachsen unerwartet angreifen; allein Prinz Karl war zum Nachtheil
der Oesterreicher anderer Meinung. Er wollte das Angreifen seinem
Gegner überlassen und verblieb deshalb in Böhmen. Friedrich ließ
auch nicht lange auf sich warten, er kam früher, als es Prinz Karl
vermuthet hatte. Wie ein reißender Bergstrom drang er mit seinem
Heere unaufhaltsam in Böhmen ein, und am 6. Mai 1757 kam es
bei Prag zur Schlacht, in welcher die überraschten Oesterreicher
nach einer furchtbaren blutigen Arbeit besiegt wurden. So empfindlich
auch diese Niederlage für sie war, so war der Verlust ihres größten
Feldherrn fast ein noch empfindlicherer Schlag. Feldmarschall Braun,
die belebende Seele der ganzen österreichischen Armee, empfing eine
tödtliche Wunde und gab sieben Wochen später seinen Heldengeist auf.
Dieser glückliche Anfang des wieder aufgenommenen Krieges ließ
Friedrich auf einen guten Fortgang hoffen. Ein zweiter Schlag sollte
Oesterreichs Macht vernichten, und dieser war auf den Feldmarschall
) Aehnliche bittere Erfahrungen mußte später die gleich edle Königin
Louise von Preußen zur Napoleon'schen Zeit machen.