Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Daun abgesehen. Bei Kolin (in östlicher Richtung von Prag) an 
der Elbe hatte dieser sein Lager aufgeschlagen. Wie Friedrich den 
Prinz Karl mit Glück unerwartet bei Prag angegriffen hatte, so wollte 
er auch Daun zuvorkommen. Der 18. Juni, so hoffte er wenigstens, 
sollte ein G. Mai werden. Er hatte einen vortrefflichen Schlachtplan 
entworfen, und in der That war der erste Angriff von einem so 
günstigen Erfolg begleitet, daß fast der ganze rechte Flügel der Oester- 
reicher über den Haufen geworfen ward. Daß auch der klarste Geist 
plötzlich einmal von einer Wolke des Irrthums umnachtet werden 
kann, zeigte Friedrich bei Kolin. Obgleich alles für ihn in bestem 
Fortgange war, so änderte er doch mitten im Siege den Schlachtplan. 
Alle Gegenvorstellungen seiner Feldherren blieben unbeachtet. Im 
entscheidenden Augenblicke wagte es ein Fürst von Dessau (Moritz) 
noch einmal, dem Könige die Folgen des abgeänderten Schlachtplanes 
vorzuhalten. Da überzog Zornesröthe Friedrichs Antlitz, mit ge- 
zücktem Degen ritt er zu dem Fürsten hin und fragte ihn mit einem 
Tone der höchsten Entrüstung, ob er schweigen und gehorchen wolle. 
Dieser schwieg und gehorchte, so schwer es ihm auch werden mochte. 
Was Friedrichs Feldherren vorausgesehen hatten, trat ein. Sehr bald 
fehlte in den Bewegungen der Preußen Plan, weshalb ihre Fort- 
schritte ins Stocken kamen. Diese Wendung der Dinge bemerkte der 
sächsische Dragoner-Oberstlieutenant von Benkendorf rechtzeitig. Zum 
Glück gelangte jetzt erst ein Zettel in seine Hände, auf welchem der 
Oberbefehlshaber mit Bleistift Anordnungen zum Rückzuge geschrieben 
hatte, welcher Zettel von einem Befehlshaber zum andern befördert 
werden sollte. Benkendorf gab ihn nicht weiter, sondern steckte ihn 
ruhig in seine Tasche. Jetzt ordnete er seine Dragoner, ein neues 
Feuer der Begeisterung erfüllte ihre Reihen, und unterstützt von zwei 
anderen sächsischen Regimentern, brachen sie mit Löwenmuth in das 
preußische Fußvolk ein. Ihr Ingrimm über die ihrem Vaterlande 
zugefügte Schmach machte sich Luft. Mit dem Rufe: „Dies für 
Striegau!“ (Seite 306) hieben sie alles nieder, was sich ihnen 
entgegenstellte. 
Diesmal zeigte das Kriegsglück dem sieggewohnten Friedrich den 
Rücken. Der Geist der Ordnung, des Muthes, der Tapferkeit wich 
von seinen Streitern. Sollte nicht alles dem Tode verfallen, dann 
mußte sich Friedrich zum Rückzuge entschließen. Nach einem Verluste 
von 14 000 Mann an Todten, Gefangenen und Verwundeten, sowie 
an 45 Geschützen wurde derselbe auch angetreten. Daun war über- 
glücklich, der Welt von einem Siege über seinen großen Gegner 
berichten zu können. Dieser Sieger von Kolin besaß in der That 
Eigenschaften, die jedem Feldherrn zur Zierde gereichen. Oben an 
stand seine weise Umsicht und große Besonnenheit. Hätte er sich durch 
diese nicht zu oft zum unnöthigen Zögern in Ausführung seiner Pläne
	        
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