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richtet er einige Fragen an den Gänsejungen, welche dieser in aller
Treuherzigkeit unerschrocken beantwortet.
Der Kurfürst glaubte, in diesem Knaben ein ganz besonderes Talent
zu einem Hofnarren zu entdecken und wünschte ihn in seiner Umgebung
zu haben. Sogleich wurden mit dem Vater die nöthigen Unter—
handlungen angeknüpft, welche auch sofort zum Abschlusse gelangten.
Welch eine Wendung trat in dem Lebensgange dieses armen
Knaben ein! Seinen jetzigen Aufenthalt vertauschte er mit dem Wohn-
sitze am kurfürstlichen Hofe, wo er sehr bald als Lustigmacher eine
wichtige Rolle spielte.
In derselben Eigenschaft finden wir Claus auch unter Kurfürst
Friedrich dem Weisen, dem er einmal auf eine recht handgreifliche
Weise seine Ansicht über eine höchst wichtige Angelegenheit kund gab.
Wie wir früher gesehen, regierte dieser, den Kurkreis ausgenommen,
seine Länder mit seinem Bruder Johann gemeinschaftlich. Einst wurde
der Kurfürst angegangen, diese Länder mit seinem Bruder zu theilen.
Hofnarr Claus wandte sich bald darauf an den Kurfürsten mit den
Worten: „Fritz, gieb mir Deinen besten Kammerrock!“ Der Kurfürst
ließ ihn holen. Claus entfernte sich, zerschnitt den theuren Rock in
zwei Theile, zog die eine Hälfte an und erschien in diesem merk-
würdigen Aufzuge vor seinem Herrn. Ganz entrüstet über diesen
Muthwillen, wollte der Kurfürst dem Narren eine Tracht Prügel
aufzählen lassen; allein dieser wußte den erzürnten Fürsten sehr bald
zu beruhigen, indem er bedeutungsvoll sagte: „So wie mir dieser
halbe Rock ansteht, so würde es Dir auch anstehen, wenn Du Deine
Länder theilen wolltest.“ Dem Hofnarren wurde die Strafe erlassen.
Den Gebrauch, Hofnarren zu halten, hatten jedenfalls die
Kreuzzügler aus dem Morgenlande nach Europa verpflanzt.
X. Das Kurfürstenthum Sachsen bis zur Erhebung
zum Königreiche, 1763—1806.
87. Kurfürst Friedrich Christian, 5. Oktober bis 17. Dezember 1763.
Verdienste als Kurprinz. — Hebung des zerrütteten Landes. — Tilgung
der Schuldenlast. — Sparsamkeit. — Malerakademie zu Dresden. —
Des Burfürsten plötzlicher Tod.
Mit dem Regierungsantritte dieses Fürsten brach über unser
Vaterland eine neue Morgenröthe an. Schon als Kurprinz hatte
sich dieser edle Fürst das vollste Vertrauen der Sachsen er-
worben. In siebenjährigen Kriege ertrug er mit ihnen die Leiden
und Drangsale. Wo er wußte und konnte, erleichterte er ihnen die
Geschichte Sachsens. 22