— 342 —
Aber nicht blos der Wehr-, sondern auch der Nährstand, sowie
das Fabrikwesen und der Handel sollten von neuem zu blühen
beginnen, denn Landwirthschaft, Fabrikwesen und Handel sind wichtige
Grundpfeiler des Wohlstandes eines Volkes. Damit diesen wieder auf-
geholfen werde, ernannte der Prinz eine besondere Behörde), welche
diese Zweige der Volkswirthschaft beaufsichtigen und fördern sollte.
Schon damals war man so schwach, die Fabrikerzeugnisse dann
für vorzüglich zu halten und sie theurer zu bezahlen, wenn man sie für
ausländische ausgab. Obgleich z. B. die sächsischen Tuchfabrikanten
vortreffliche Waare zu fertigen verstanden, so befestigten sie doch sehr
oft an inländische Erzeugnisse englische und holländische Zeichen. Da-
durch setzten sie offenbar den Werth der inländischen Produkte herab.
Als dies zur Kenntniß des Prinzen gelangte, gerieth er in Folge
seines etwas heftigen Charakters in größten Zorn und verbot diese
Täuschung unter Androhung der härtesten Strafe.
Daß Prinz Taver allen Angelegenheiten des von ihm verwalteten
Landes seine Aufmerksamkeit zuwendete, beweist auch die Geschichte
der kleinen reformirten Gemeinde in Sachsen.
Dresden und Leipzig zählen gegenwärtig über 4000 evangelisch-
reformirte Christen. Die Vorfahren derselben stammen größtentheils
aus Frankreich. In diesem Lande waren diese Glaubensbekenner“)
früher den himmelschreiendsten Verfolgungen ausgesetzt. Unter König
Ludwig XIV. entbrannte 1681 eine neue Verfolgung, so daß viele
Reformirte die Flucht ergriffen und sich ein zweites Vaterland auf-
suchten. Auch unser Sachsen war von einer Anzahl hierzu ausersehen
worden. Zwar gestattete ihnen die Regierung die Niederlassung, aber
volle Religionsfreiheit glaubte man ihnen nicht gewähren zu können.
So durften z. B. ihre Geistlichen zwar predigen und das heilige
Abendmahl ausspenden, aber keine Taufe und Trauung vollziehen.
Letztere beiden Handlungen mußten sie einem evangelisch-lutherischen
Geistlichen überlassen. Im Jahre 1764 hob Prinz Taver diese Be-
schränkung auf und gestattete den Reformirten freie Religionsübung.
In Dresden erlebten dieselben ein Jahr später auch die Freude, das
Privathaus, welches sie bis dahin zu gottesdienstlichen Zwecken benutzt
hatten, mit einer Kirche vertauschen zu können. Im Jahre 1767 trat
noch eine neue Veränderung ein. Bis dahin, also ungefähr 70 Jahre
hindurch, hielten die Reformirten ihren Gottesdienst nur in französischer,
von jetzt an predigte und sang man auch in deutscher Sprache.)
*) Es war die Landes-Oekonomie-, Manufaktur= und Kommerzien=
Deputation.
*“) In Frankreich Hugenotten, auch Hugonotten genannt, ein Name,
dessen Entstehung sich mit voller Gewißheit nicht nachweisen läßt.
*““) Das deutsche Gesangbuch rührt von dem berühmten Kanzelredner
Zollikofer, Prediger der reformirten Gemeinde in Leipzig, her. Er selbst