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Heinicke wiederholt die Sehnsucht nach einem Wirkungskreise in seinem
Vaterlande kund. Nach Dresden zurückgekehrt, machte der Offizier
den Kurfürsten auf Heinickens Wirken als Taubstummenlehrer auf—
merksam. Des Kurfürsten Entschluß war gefaßt. Er berief Heinicke
nach Sachsen. Ostern 1778 traf dieser mit 9 taubstummen Zöglingen
in seinem Vaterlande ein und eröffnete in Leipzig das erste größere
Taubstummeninstitut in Deutschland.
Im Jahre 1828 entstand in Dresden ein zweites, damals ein
sehr kleines Taubstummeninstitut, das sich gegenwärtig zu einer Anstalt
erweitert hat, in welcher 200, in Leipzig 150 taubstumme Kinder
Unterricht empfangen, so daß jetzt allen im schulpflichtigen Alter
stehenden Taubstummen Gelegenheit geboten ist, einen vollständigen
Schulunterricht erhalten zu können.
Zu Ende des vorigen Jahrhunderts (1790) starb in Nord-
amerika ein Mann, der sich durch seine weisen, edlen Grundsätze die
Achtung der ganzen gebildeten Welt erworben hatte. Es war dies
Benjamin Franklin. Staunenswerth bleibt es, wie dieser Mann
seine Zeit gewissenhaft zu benutzen verstand. Außer seinen Berufs-
geschäften widmete er auch einen Theil seiner Zeit der Erforschung
der Natur und ihren Erscheinungen; ganz besonders suchte er in das
Wesen der Electricität einzudringen. Vielfache Versuche führten ihn
zu der Gewißheit, daß die uns umgebende atmosphärische Luft, nament-
lich bei Annäherung eines Gewitters, mit Electricität erfüllt sei.
Franklin und einige französische Gelehrte gingen nun in ihren
Untersuchungen Schritt für Schritt weiter und fanden endlich, daß
der Blitz nichts anderes, als ein gewaltig großer electrischer Funken
sei. Mit Hilfe von Drachen, dem gewöhnlichen Spielzeuge der Knaben,
die Franklin aufsteigen ließ, gelang es ihm, die Electricität in den
Gewitterwolken aufzufangen und sie auf die Erde zu leiten. Da der
Blitz, dieses electrische Feuer, nur zu oft den Wohnungen der Menschen
verderblich wird, so führten jene Versuche den scharfsinnigen Franklin
auf den Gedanken, den nach einem Hause niederfahrenden Blitz auf-
zufangen und ihn in die Erde zu leiten; mit anderen Worten, das
Haus mit einem Blitzableiter zu versehen.
Nicht lange ließ die Ausführung dieses Vorschlages auf sich
warten. Vor 120 Jahren (1762) ward in Europa, und zwar in
England, und 1769 in Deutschland, und zwar in Hamburg, der erste
Blitzableiter errichtet. Diesem Beispiele folgte Sachsen im Jahre 1775.
In der Zeit von 1699 bis 1760 fuhr der Blitz fünfmal in den hohen
Schloßthurm zu Dresden.)) Um neue Gefahren abzuwenden, ließ
*) Er ist 100,7 Meter hoch und Sachsens höchster Thurm. Merkwürdig,
daß der Blitz einmal den 18. December und einmal den 27. November in
denselben einschlug.