Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Rheinbundes hatten ihre Truppen mit dem französischen Heere ver— 
einigt. Eine halbe Million Streiter harrte des Winkes eines Mannes, 
um Familie und Vaterland zu verlassen und hinzuziehen in den 
fernen Nordosten. 
Da die Hauptstraße durch unser Sachsen ging, so bewegten sich 
auf derselben unabsehbare Kriegermassen. Schon im April 1812 
begannen diese Züge und wiederholten sich in den Monaten Mai und 
Juni. Die nie gesehene Pracht der ruhmbedeckten Kaisergarden und 
die auserlesene Reiterei mit ihrem wundersam gekleideten Obergeneral, 
dem König Murat von Neapel, setzte alles in Erstaunen. Und 
endlich erschien er selbst, der gewaltigste Mann seiner Zeit, der Kaiser 
Napoleon. Alle, die Gelegenheit fanden, ihn von Angesicht zu schauen, 
bemerkten auf seinem Antlitz einen tiefen Ernst lagern, gleichsam 
als hätte seine Seele eine dunkle Ahnung von der Vergänglichkeit 
aller irdischen Macht und Herrlichkeit durchzogen. Am 12. Mai 
nachts zwischen 11 und 12 Uhr traf der Kaiser mit seiner Gemahlin 
unter Kanonendonner und Glockengeläute in Dresden ein. In seinem 
und seiner Gemahlin Gefolge befanden sich Herzöge, Grafen, ein 
Erzbischof, im Ganzen 223 Personen! Bald darauf erschienen in 
Dresden der Kaiser und die Kaiserin von Oesterreich, der König und 
der Kronprinz von Preußen, der König und die Königin von Westfalen, 
außerdem der Vicekönig von Italien, ein Großherzog, Erzherzöge 
und Herzöge. Da ward eine Pracht und Herrlichkeit entfaltet, wie sie 
Dresden wohl in dieser Weise noch nie gesehen hatte, und das alles 
geschah zu Ehren eines Mannes, dem damals Alle noch in Ehrfurcht 
huldigten und dessen Macht man für unbesiegbar hielt. 
Menschen waren freilich nicht im Stande, diesen scheinbar All- 
gewaltigen von seiner Höhe zu stürzen. Aber der Herr aller Herren 
„übet Gewalt mit seinem Arm und stößet die Gewaltigen vom Stuhl". 
Sieben Monate später finden wir diesen scheinbar Allgewaltigen 
wieder in Dresden, diesmal aber auf der Flucht und wie mit einem 
Zauberschlage seiner Herrlichkeit entkleidet. 
Ende Mai verließ Napoleon Dresden; er reiste über Bautzen 
nach Schlesien und traf hier mit seiner großen Armee zusammen. 
Unter ihr befanden sich 22 000 Sachsen, außerdem hatte unser Land 
7000 Pferde und 70 Kanonen liefern müssen. 
Am 22. Juni erließ Napoleon die Kriegserklärung gegen Ruß- 
land und betrat nun mit seiner Armee den russischen Boden. Unsere 
Landsleute standen bei dem rechten Flügel der Franzosen. Ein 
großer Theil Sachsen wurde am Bug zurückgelassen, um den 
Rücken des Hauptheeres zu decken. Unerwartet sahen sich hier 
2500 Sachsen von einer ungleich stärkeren Abtheilung Russen an- 
gegriffen. Trotz aller Gegenwehr trieb man sie so in die Enge, daß 
der größte Theil in Gefangenschaft gerieth. Eine andere Abtheilung
	        
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