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die Geister auszuüben im Stande war. Sein Zug nach Paris dürfte
kaum in der ganzen Weltgeschichte seines Gleichen finden. Soldaten,
Volk, Hoch und Niedrig, Groß und Klein, Alt und Jung jubelten
ihm zu, und als er am 20. März seinen Einzug in Paris hielt,
gerieth alles in einen Taumel der Begeisterung, wie er wohl selbst
bei den leicht erregbaren Franzosen noch nicht dagewesen war.
Jetzt war in Wien aller gegenseitige Haß vergessen. Man er-
kannte nur Ein Ziel: den entfesselten Löwen wieder zu bändigen.
Die Uneinigkeit, aus welcher Napoleon Vortheile für sich zu ziehen
hoffte, schlug in der Folge zu seinem Nachtheile aus. Wären die Ver-
handlungen friedlich verlaufen, so hätte man die Heere früher ent-
lassen; so aber standen sie fast alle noch schlagfertig unter den Waffen
und konnten in kürzester Zeit zu neuem Kampfe geführt werden.
Um die Lösung der gemeinsamen großen Aufgabe recht einmüthig
in Angriff nehmen zu können, wurden alle anderen Fragen in größter
Eile beseitigt. Obgleich sich Frankreich, England und Oesterreich
mit Sachsens Theilung endlich einverstanden erklärt hatten, so
hätten doch vielleicht bei fortgesetzten Verhandlungen manche Be-
stimmungen etwas milder ausfallen können, indes der Hauptsache nach
war Sachsens Schicksal schon in der Mitte des Monats Februar
entschieden. Es ist daher eine ganz irrige Ansicht, wenn man, wie
oft geschieht, behauptet, wegen Napoleons unerwarteter Landung in
Frankreich habe man die Theilung Sachsens als einen Ausweg für
alle Parteien schnell in Vorschlag gebracht. Auf weitere Verhandlungen
mochte sich jetzt niemand mehr einlassen. Da unser König mit An-
erkennung der ihm aufgedrungenen Landestheilung zögerte, so wurden
ihm endlich noch fünf Tage Bedenkzeit gelassen. Habe er dann die
vorgeschlagene Landestheilung nicht anerkannt, so würde man Preußen
den zugesprochenen Antheil zuweisen und über die übrigbleibenden
Landestheile anderweit verfügen.
Unter solchen Verhältnissen wäre jedes längere Festhalten an
seinem Rechte nutzlos gewesen. Friedrich August wich der Gewalt
und gab endlich zur Theilung seiner Erbstaaten seine Einwilligung.
Am 18. Mai 1815 wurde das Friedenswerk zwischen Preußen und
Sachsen abgeschlossen und am 21. Mai ertheilte ihm unser König,
freilich mit blutendem Herzen, durch Unterschrift seine Bestätigung.
Wie mochte ferner sein Herz im Innersten erbeben, als er am nächsten
Tage ein anderes Schriftstück unterschrieb, welches „an die Bewohner
des abgetretenen Theiles des Königsreichs Sachsen“ gerichtet war.
Er sagte hier unter anderem:
„Während Meiner langen Regierung hat Mich nur die Fürsorge für
das Wohl Meiner anvertrauten Unterthanen in allen Meinen Handlungen
geleitet, der Erfolg aller Meiner Unternehmungen ruht in der Hand Gottes.
Meine Bemühungen, so schmerzliche Opfer abzuwenden, sind vergeblich gewesen.
Ich soll von euch scheiden und das Bündniß getrennt werden, das durch