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seiner Väter zurückkehren. An demselben Tage erließ er von
Teplitz aus an seine Sachsen folgende, aus der Tiefe seines Herzens
hervorgegangene Ansprache:
„Nach langer, schmerzlicher Trennung, nach einer verhängnißvollen
Zeit, kehre Ich heute in Eure Mitte zurück. Ich weiß, was Ihr erlitten
und ertragen habt, und habe es mit Euch im tiefsten Herzen gefühlt; Ich
weiß aber auch, mit welcher festen Treue Ihr unter allen Prüfungen zu
Eurem angestammten Fürsten gestanden seid. Dieser Gedanke war, nächst
dem Vertrauen auf Gott, Mein bester Trost in den Stunden der Trübsal,
die der unerforschliche Rath der Vorsehung über Mich und Euch geschickt hat.
Er giebt mir neuen Muth, Mein schweres Tagewerk wieder zu beginnen.
Mit der alten Liebe, welche durch die vielen Beweise der Anhänglichkeit, die
Ich erhalten, wenn dies denkbar wäre, noch inniger geworden ist, werde Ich
die Tage, die Mir Gott noch schenkt, der Heilung der Wunden des Landes,
der Förderung seines Wohlstandes, der Handhabung von Recht und Ge-
rechtigkeit und der besonnenen Fortentwickelung unserer politischen Institutionen
widmen. Ich rechne dabei auf die Unterstützung der Landesvertreter, denen
Ich mit gewohnter Offenheit und altem Vertrauen entgegen kommen werde.
Mit derselben Treue, mit der Ich zu dem Bunde gestanden bin, werde Ich
auch an der neuen Verbindung, in die Ich jetzt getreten, halten und, so weit
es in Meinen Kräften steht, alles anwenden, um dieselbe, wie für unser
engeres, so auch für unser weiteres Vaterland möglichst segensreich werden
zu lassen. Möge der Allmächtige unsere gemeinsamen Bemühungen segnen,
und Sachsen, wie vordem, ein Land des Friedens, der Ordnung, des thätigen
Strebens, der Bildung, der Sittlichkeit und Gottesfurcht bleiben."
Diese Worte fanden den freudigsten Wiederhall in aller Sachsen
Herzen: „Ich kehre heute in Eure Mitte zurück“ — dies war eine
Kunde, welche die bestandenen harten Prüfungen und die dargebrachten
schweren Opfer während der Kriegszeit vergessen ließ. Wie gute
Kinder den nach schmerzlicher Trennung heimkehrenden Vater jubelnden
Herzens begrüßen, so auch die treuen Sachsen den zurückkehrenden
Vater des Vaterlandes. Schon im Böhmerland auf dem festlich ge-
schmückten Bahnhof Bodenbach begrüßten die Bürger der Residenz
den geliebten Monarchen in herzlichster Weise. Kaum war aber die
sächsische Grenze erreicht, so reihte sich Huldigung an Huldigung,
welche man als die sicherste Bürgschaft für die Thatsache betrachten
konnte, daß Liebe und Treue gegen den Landesvater in der Schule
der Prüfung nur erstarkt waren.
Da der König seinen Aufenthalt zunächst in Pillnitz nehmen
wollte, so mußte er bei Niedersedlitz die Eisenbahn verlassen und
sich zu Wagen nach seinem Lustschlosse begeben. An jenem Halte-
punkte hatten sich Tausende von Menschen aus der Nähe und Ferne
zum Empfange des Königs aufgestellt. Die vorbereiteten Empfangs-
feierlichkeiten konnten nicht zur Ausführung gebracht werden. Als die
Menge des Königs ansichtig ward, brach sie in einen unbeschreiblichen
Jubel aus. Tausendstimmige Hochs rufend, umringte man ihn beim
Aussteigen aus dem Dampfwagen, trennte ihn, ohne es natürlich