Die Verfassungsurkunde für den preußischen Staat. 39
Artikel 101.
In betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht ein-
geführt werden.
ie bestehende Steuergesetzgebung wird einer Revision unter-
worfen und dabei jede Bevorzugung abgeschafft.
Artikel 102.
Gebühren können Staats= oder Kommunalbeamte nur auf
Grund des Gesetzes erheben.
Artikel 103.
Die Aufnahme von Anleihen für die Staatskasse findet
nur auf Grund eines Gesetzes statt. Dasselbe gilt von der
Ubernahme von Garantien zu Lasten des Staats.
Vgl. Reichsmünzgesetz vom 9. Juli 1873, Art. 18 A. 3 und Rchsges.,
betr. die Ausgabe von Reichskassenscheinen, vom 30. April 1874.
Artikel 104.
Zu Etatsüberschreitungen ist die nachträgliche Genehmigung
der Kammern erforderlich.
Die Rechnungen über den Staatshaushaltsetat werden von
der Oberrechnungskammer geprüft und festgestellt. Die all-
gemeine Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres,
einschließlich einer Ubersicht der Staatsschulden, wird mit den
Bemerkungen der Oberrechnungskammer zur Entlastung der
Staatsregierung den Kammern vorgelegt.
Ein besonderes Gesetz wird die Einrichtung und die Be-
fugnisse der Oberrechnungskammer bestimmen.
Absatz 1. „Etatsüberschreitungen im Sinne des Artikels
104 der Verfassungsurkunde sind alle Mehrausgaben, welche gegen
die einzelnen Kapitel und Titel des nach Artikel 99 a. a. O.
festgestellten Staatshaushaltsetats oder gegen die von der Landes-
vertretung genehmigten Titel der Spezialetats stattgefunden
haben, soweit nicht einzelne Titel in den Etats als übertragbar
ausdrücklich bezeichnet sind und bei solchen die Mehrausgaben
bei einem Titel durch Minderausgaben bei anderen ausgeglichen
werden. Unter dem Titel eines Spezialetats ist im Sinne
dieses Gesetzes zu verstehen jede Position, welche einer selbständigen
Beschlußfassung der Landesvertretung unterlegen hat und als
Gegenstand einer solchen im Etat erkennbar gemacht worden
ist“ (Gesetz, betr. die Einrichtung und die Befugnisse der Ober-
rechnungskammer, vom 27. März 1872, § 19 Abs. 1).
Absatz 3. Dies ist das in der Anmerkung zu Abs. 1 angeführte
Gesetz vom 27. März 1872.