4 Die Verfassungsurknude für den preußischen Staat.
4. die Wirksamkeit der Landesrepräsentanten erstreckt sich auf alle
Gegenstände der Gesetzgebung, welche die persönlichen und Eigen-
tumsrechte der Staatsbürger, mit Einschluß der Besteuerung,
betreffen;
5. es sol eine Kommission zusammentreten, welche sich mit der
Organisation der Provinzialstände, der Organisatton der Landes-
repräsentation und der Ausarbeitung einer Verfassungsurkunde
beschäftigen soll.
Die Kommission trat nie zusammen und die Nationalrepräsentation
wurde nicht eingeführt. Wohl aber wurde durch die Kabinettsorder
vom 17. Januar 1820 über die Verwaltung der Staatsschulden die
Hauptverwaltung der Staatsschulden verpflichtet, der künftigen ständischen
Versammlung jährlich Rechnung zu legen. Dabei wurde gleichzeitig
bestimmt, daß neue Anleihen nicht ohne Zuziehung der Stände gemacht
werden sollten. — Damit war den Ständen eine entscheidende Stimme,
wenn auch in einem sehr eng begrenzten Umfange, eingeräumt.
Eine besondere Vertretung für die einzelnen Provinzen wurde
durch das Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände vom 5. Juni
1823 angeordnet und durch die Gesetze vom 1. Juli 1823 (für Branden-
burg, Niederlausitz, Preußen, Pommern und Rügen) und vom 27. März
1824 (für Schlesien, Sachsen, Rheinprovinz, Westfalen und Posen)
eingeführt.
Diese aus den mediatisierten Fürsten und Standesherrn und aus
den Abgeordneten der Ritterschaft, der Städte und der Landgemeinden
zusammengesetzten Provinzialstände waren berufen, Entwürfe von die
Provinzen angehenden Gesetzen zu beraten, das spezielle Interesse und
Wohl der Provinz betreffende Bitten und Beschwerden an den König
gelangen zu lassen und die Kommnnalangelegenheiten der Provinz zu
regeln.
Das Volk stand der Tätigkeit dieser Provinzialstände gleichgültig
gegenüber.
Nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. wurde
den Ständen ein größerer Wirkungskreis eröffnet. Die zur Huldigung
des neuen Königs in Königsberg versammelten Stände von Ost= und
Westpreußen baten in der berühmten Denkschrift vom 7. September
1840 nicht um Bestätigung ihrer besonderen Privilegien, sondern um
Einführung einer allgemeinen Landesvertretung, wie sie in der Ver-
ordnung vom 22. Mat 1815 zugesagt war. Der König versprach im
Landtagsabschiede nur, die verliehene Provinzial= und kreisständische
Verfassung zu pflegen, und trat in der Kabinettsorder vom 4. Oktober
1840 der irrigen Auffassung entgegen, als ob er damit für die Be-
willigung einer Landesverfassung im Sinne der Denkschrift sich aus-