Metadata: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

30 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 21.—23.) 
21. Januar. (Württemberg.) Landesversammlung der 
„Deutschen Partei." 
Dieselbe spricht sich für den russischen Handelsvertrag aus und for- 
dert „eine der Würde des Deutschen Reiches entsprechende Regelung der 
staatsrechtlichen Stellung des Herzogs v. Koburg.“ (Vgl. 5. Febr.) 
22. Januar. Der Kaiser und Bismarck. 
Flügeladjutant Graf Moltke übergibt in Friedrichsruh dem 
Fürsten Bismarck ein kaiserliches Schreiben, in dem der Kaiser unter Ueber- 
sendung einer Flasche alten Rheinweins den Fürsten zur Genesung von 
der Influenza beglückwünscht. Graf Moltke überbringt ferner eine Ein- 
ladung zur Teilnahme an dem Militärjubiläum des Kaisers am 27. Januar. 
Fürst Bismarck bat in seinem Antwortschreiben, mit Rücksicht auf seine 
geschwächte Gesundheit dem Kaiser seinen Dank unmittelbar vor oder nach 
dem Geburtstage persönlich aussprechen zu dürfen. Der Kaiser stimmte 
sofort telegraphisch zu. 
Der „Reichs-Anzeiger erklärt (25. Jan.), die Entsendung M.'s 
zum Fürsten sei der eigensten persönlichen Initiative des Kaisers ent- 
sprungen und auch in Regierungskreisen habe niemand von dem hochherzigen 
Entschlusse Kenntnis gehabt. 
Zeitungen aller Richtungen, ausgenommen die sozialistischen, 
begrüßen die Aussöhnung mit Befriedigung, die Freisinnigen führen 
dabei aus, daß von politischen Folgen des Ereignisses keine Rede 
sein könne. 
22. Januar. Eduard Zeller, ord. Prof. der Philosophie 
an der Universität Berlin, wird anläßlich seines 80. Geburtstages 
zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikat Exzellenz ernannt. 
22. und 23. Januar. (Reichstag.) Notstandsdebatte, her- 
beigeführt durch eine sozialistische Interpellation. 
22. Januar. (Bayern.) Debatte über die  Reichssteuer- 
reform im Finanzausschusse der Abgeordnetenkammer. 
Finanzminister v. Riedel: Das Budget sei ohne Rücksicht auf die 
Militärvorlage aufgestellt worden; wären die Kosten der Militärvorlage 
nicht da, so würde der Budgetabschluß keine Schwierigkeit haben. Die 
bayerische Regierung sei bei der Aufstellung des Budgets von der festen 
Ueberzeugung ausgegangen, daß die Kosten der Militärvorlage durch eigene 
Einnahmen des Reiches gedeckt werden würden. Die Frage, was das Reich 
äußersten Falls zu thun habe, hänge mit der Frage der Reichssteuerreform 
nicht zusammen; das Gelingen dieser Reform sei abhängig von dem Schicksal 
sämtlicher Steuern. Falle eine davon, so werde die Reichssteuerreform über- 
haupt nicht mehr in Frage kommen. Für die heutige Frage werde es ge- 
nügen, das Reichssteuerreformprojekt außer Betracht zu lassen, hier habe 
man es nur mit der Frage über die Aufbringung der Mittel zu thun, 
welche zur Deckung der Kosten der Militärvorlage erforderlich seien. Im 
Reichstag bestehe große Abneigung gegen die Bewilligung eines Quittungs- 
und eines Frachtbriefstempels. Mit dem Wegfall dieser beiden Nummern 
würden 15 Millonen wegfallen und 20 Millionen bleiben. Er, der Finanz- 
minister rechne auf nicht mehr, als auf diese 20 Millionen aus Schaum- 
wein und Kunstwein rechne man auf 5 Millionen, doch sei diese Berechnung
	        
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