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lieren und bezeichnete die Bürger als „seine Bürger“, was bald wenig
mehr als „Untertanen“ bedeutete.
Zwar nahmen anfänglich die Bürger fast überall noch in gewisser
Weise an einzelnen städtischen Verwaltungsgeschäften teil, aber diese
Teilnahme war bereits seit Anfang des 17. Jahrhunderts mehr und
mehr verkümmert, teils durch Mißachtung und Unterdrückung seitens des
Rats, teils infolge der eigenen Teilnahmlosigkeit der Bürgerschaft. Frei-
lich direkt beteiligt war diese meist überhaupt nicht; sondern Zünfte,
Gilden und Stadtviertel übten die Gemeindevertretung aus, „weswegen
Magistratus eben nicht nötig hat, die ganze Bürgerschaft zu convociren,
als welche doch niemals vollkommen zu erscheinen pflegt". Kam wirklich
noch eine Bürgerversammlung vor, von Bedeutung war sie nicht; galt
doch überhaupt für unvorsichtig „das gemeine verworrene Volk ohne hoch-
erheischende Nothwendigkeit zusammen zu fordern. Dann der gemeine Mann ist
unvorständig, hat offt andere Gedanken, nimmt es ungleich ein. So viel ge-
fährlicher ist's, wenn derselbe verschlagen: dann kann er den übrigen unverstän-
digen Pöbel, der jhm leichtlich Beyfall giebet, an sich ziehen, und du stehest alßdann
in Gefahr.“
Mit anderen Worten als mit denen „gemeiner Pöbel“ weiß die
Zopf- und Perückenweisheit der Ratsherren das Volk nicht zu bezeichnen.
Die Kraft des Bürgertums ist gebrochen. Freilich, den Landes-
herren gegenüber stehen die Städte noch frei da. Aber welch ein
Zerrbild wahrer Bürgerfreiheit ist das! —
Wenn wir diesen geschichtlichen Prozeß des Niederganges der Städte
betrachten, so drängt sich uns notwendigerweise die Frage nach den letzten
inneren Gründen dieses Verhaltens auf.
Der hauptsächlichste wird in der Stellung der Städte zum Staate
zu suchen sein. Bei ihrer vollen Unabhängigkeit dem Staate gegenüber
mußten zwei Folgen eintreten. Einmal gerieten sie, die Einzelglieder
eines Gesamtkörpers — in ihrer Kraft nicht durch eine über ihnen
stehende straffe Organisation gebändigt —, untereinander und mit den
sie umgebenden Mächten des flachen Landes in politischen und wirt-
schaftlichen Hader; auch lehnten sie sich gegen ihr Oberhaupt, den Staat,
auf. Aus diesen Kämpfen aber siegreich hervorzugehen, dazu war weder
die Einzelstadt noch ihr locker geschlungener Föderalismus fähig. So
bekämpften sich die Glieder des einen Körpers untereinander, anstatt sich
zu dienen. Diese, leider dem deutschen Wesen eigentümlichen Sonder-
bestrebungen, die zur Schwächung des Gesamtstaatskörpers führen mußten,
haben in dem Dreißigjährigen Kriege eine unsäglich harte Lehre erhalten.
Da aber kein kräftiges Oberhaupt über den Städten stand, das
ausgleichend hätte einwirken können, so trat die weitere Folge ein, daß
auch im Innern jeder einzelnen Stadt die verschiedenen Parteien sich in,
teilweise wilden, Kämpfen befehdeten, bis schließlich die mächtigste zum
Nachteil der anderen die Oberhand errang und behielt. Diese inner-