Welf III. 9
Pfalzgrafenwürde zwar verlor sein Sohn Oberto II., als er sich gegen Kaiser
Heinrich II. empörte, doch erhielt er die ihm zuerst entzogenen Allode später
zum größten Teile zurück. Obertos II. Söhne, Azzo I. und Ugo, führten das
Markgrafenamt in Ligurien und besaßen auch die Grafschaft Luni. Beider
Nachfolger nun war Azzo II., dem die Welfentochter Cuniza als Gemahlin
zuteil wurde. Seine sehr ausgedehnten Besitzungen erstreckten sich über alle
Teile der jetzigen Provinzen Lombardei, Toscana, Emilia und Romagna,
so daß ihn mit Recht der Mönch von Weingarten als einen außerordentlich
reichen Fürsten preist.
Nach Welfs II. frühzeitigem Tode trat sein Sohn Welf III., der Bruder
Cunizas, das deutsche Erbe seiner Väter an. Er führte seines Vaters Plan
vollständig aus, verlegte die altwelfische Abtei Altomünster nach Altorf und
räumte ihr sein Stammschloß ein, das nun in das Kloster „Weingarten“ um-
gewandelt wurde. Trotz seiner Verluste war das welfische Haus noch immer
mächtig und wichtig, besonders da es durch einen so kräftigen Jüngling ver-
treten wurde, wie Welf III. war. Deshalb suchte ihn der hochstrebende Kaiser
Heinrich III., der trotz seiner großen Erfolge noch immer die geheime Oppo-
sition mancher Fürsten zu scheuen hatte'), an sich zu fesseln und verlieh ihm
zu Speyer, umgeben von der glänzenden Versammlung der Großen des
Reiches, das Herzogtum Kärnten und die Mark Verona. So wurde das
welfische Haus der Wächter der Alpen, der Herr der Pässe zwischen Deutsch-
land und Italien; seine Macht breitete sich über beide Länder aus. Vom
Bodensee bis zum adriatischen Meere reichten seine Besitzungen, und daran
grenzten im Süden weiter die Länder der ligurisch-estischen Markgrafen, die so
eng mit dem welfischen Interesseverknüpft waren und nachderen Unabhängig-
keit strebende Politik so gut mit dem selbständigen Auftreten des Welfen-
geschlechtes stimmte: die Zukunft der vereinigten Häuser schien große Macht
und hohen Ruhm in sichere Aussicht zu stellen. War jemals eine engere Ver-
bindung zwischen Italien und Deutschland möglich, konnte sie nur durch diese
beiden vereinigten Häuser mit ihren halb deutschen, halb italischen Besitzungen
ermöglicht werden: und so schien auch die Kaiserkrone dem welfisch-estischen
Hause in nicht allzu ferner Zukunft bestimmt.
Welf III. stand dem Kaiser, der ihn gefördert, getreulich bei, und auch bei
dessen zweiter Romfahrt begleitete er ihn, während rings die deutschen Für-
sten auf schmählichen Verrat und Meuchelmord gegen den Kaiser sannen,
der ihre Willkür nicht dulden wollte. Aber trotzdem trat auch er entschieden
gegen alle Übergriffe Heinrichs auf und ließ sich Beleidigungen seiner Person
oder seiner Untertanen nicht gefallen?7).
Indes alle die glorreichen Aussichten und Hoffnungen des Welfenhauses
wurden dadurch vernichtet, daß Welf III. plötzlich, noch als junger Mann,
*) Giese brecht, Gesch. d. deutsch. Kaiserzeit, 2. Aufl., II, S. 424 ff.
*“#) Kritische Erörterungen zum ersten Buche, a.
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