Herrschaft der Welfen. 27
geworden. Diesen Verbündeten war es gelungen, die kräftig widerstrebenden
Staufer niederzuwerfen, ihnen wertvolle Landesteile zu entreißen, sie zu ge-
horsamen Dienern des verhaßten Sachsen und der doppelt verhaßten Welfen
herabzudrücken. Den letztern schien jetzt die Königs-, die Kaiserkrone nicht
entgehen zu können. Und noch war ihre Macht im Wachsen begriffen, noch
mehr sollte sie von dem willigen Kaiser erhöht werden.
Dieser beschloß einen neuen Zug nach Italien, wo er besonders die über-
mütigen Normannen zu züchtigen gedachte, die dem deutschen Kaiser, dem
Papst, dem griechischen Kaiser und den norditalischen Seestädten zugleich
trotzten. Unter den Fürsten, die sich auf dem Sammelplatze zu Würzburg
einfanden, waren auch die Herzoge Heinrich von Bayern und Konrad von
Franken. Friedrich II. blieb, jedenfalls mit Billigung des Kaisers, in Deutsch-
land zurück; wahrscheinlich wollte Lothar die Staufer nicht in seiner und seines
Schwiegersohnes Umgebung in voller Macht sehen. Diese zweite Romfahrt
war bei weitem glänzender, als die erste; sehr viele deutsche Fürsten nahmen
an ihr Teil: die ganze Lombardei mußte sich dem Kaiser unterwerfen. Hein-
rich der Stolze erhielt zum Dank für seine Taten in Italien die Belohnung
mit der Markgrafschaft Tuszien, mit Guastalla und der Burg Garda, endlich
auch mit dem ganzen weiten Hausgut der verstorbenen Gräfin Mathilde; bald
darauf wurde er gleichfalls mit dem Herzogtume Sachsen belehnt").
So hatten die Welfen fast den höchsten Gipfel der irdischen Macht erlangt.
Von der Nordsee bis zum otrantischen Meere erstreckten sich jetzt — beinahe
zusammenhängend — ihre Besitzungen. Sachsen, Schwaben, Bayern, Ligu-
rier, Lombarden, Tuszier gehorchten ihren Geboten: eine wahrhaft könig-
liche Gewalt war ihnen zuteil geworden. In Sachsen besonders hatten sie das
jenige Land erhalten, das seit den Tagen des Städtegründers Heinrich das
wichtigste im ganzen Reiche gewesen war.
Das zuerst markgräfliche, dann herzogliche Amt-*), das Otto I. dem Her-
mann Billung übergab, bestand nur in der Verwaltung der nördlichen Marken
Sachsens gegen die Dänen und die nördlichen Slawen und in dem militä-
rischen Oberbefehl in den, diesen Marken benachbarten Gauen. Das alte
Stammesherzogtum, das sich über Westfalen, Ostfalen und Engern erstreckt
hatte und mit der Thronbesteigung Heinrichs I. erloschen war, wurde keines-
wegs wieder hergestellt, vielmehr verdankten die Billunger ihren Herzogs-
titel nur ihrer militärischen Führung mehrerer Gaue des nordöstlichen Sach-
sens. Die übrigen weltlichen und geistlichen Fürsten Sachsens stehen gleich-
berechtigt neben dem Herzoge, der sie weder zu richten, noch überhaupt zu
°) Daß die Belehnung mit Tuszien in diese Zeit fällt, hat Jassé, Lothar, S. 193, und
2. Beilage, S. 231, hinreichend bewiesen. — Uber die Belehnung mit dem Mathildischen
Gebiet, unter der Oberhoheit des Papstes: W. v. Giesebrecht, Geschichte der
deutschen Kaiserzeit, IV#, S. 84.
*#) . darüber die Berliner Dissertation aus dem Jahre 1863 von Steindorf: De
ducatus qui Billingorum dicitur in Sazxonie origine et progressu; L. Weiland a. a. O.;
Waißg, Verfassungsgesch., VII, 67.
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