ÖOsterreicher und Ungarn 99
getragen zu sehen, war für den Kenner seiner Kriegsgeschichte eine Uber-
raschung. Diese Kriegführung erinnerte nicht mehr an den Hofkriegsrat
unseligen Angedenkens, auch nicht an Benedek und Krismanik, die 1866
zaudernd von Olmüh nach Königgräh zogen, sondern an Erzherzog Karls,
an Radegkys und Erzherzog Albreches glücklichste Tage. Ein Enkel des
Siegers von Aspern, Erzherzog Friedrich, war für den Oberbefehl im
Osten, sein jüngerer Bruder, Erzherzog Eugen, später für den Oberbefehl
gegen Italien ausersehen. Die Leitung der Operationen lag in der Hand
des Generalstabchefs Conrad v. Höhendorf.
Es war ein Kampf gegen die Jahl, der sich für Osterreich-Ungarn vor-
bereitete, aber es war auch ein Kampf gegen ein viel weiter in der Bereit.
stellung vorgeschrittenes Heer, als man in Osterreich-Angarn und Deutschland
erwartet hatte. Die österreichische Heeresleitung sah sich daher schon nach
wenigen Tagen gezwungen, Teile der gegen Serbien und Montenegro auf.
gestellten Truppen, ursprünglich 11 Divisionen, auf das nördliche Kriegs.
kbeater heranzuholen und Serbien vollends als Nebenschauplaß zu behandeln.
Das österreichisch-ungarische Heer hat den alten Fahnenstolz und die
Treue und Hingebung seiner in Glück und Unglück geprüften Regimenter
auch in diesem größten aller Kriege bewährt. Jwar genügten die schwachen
Friedensbestände zur Herstellung eines starken Kriegsrahmens nicht, aber
die Mobilmachung vollzog sich meist ohne Reibung, und die leeren Kasernen
füllten sich bald mie Ersatzmannschaften. Die Bereitschaft Osterreich.
Ungarns, den Krieg durchzukämpfen, zog ihre beste Nahrung aus dem
Verschmelzen seines militärischen Wollens mit dem militärischen Wollen
Deutschlands. Wie sich im HLaufe des Feldzuges herausstellte, ist diese WVer-
schmelzung bis zur vollen restlosen Vereinheitlichung der Kraftanstrengung
gegangen. Die deutschen, österreichischen und ungarischen Kriegsvölker
wurden im Flammenelement der Schlachten organisch verbunden und zu
einem einzigen Körper gestaltet. Hieraus ergab sich ein Vorsprung der beiden
Mächte gegenüber der Verbündung der Entencemächte, die ihre Feldzugs.
pläunc und die daraus fließenden Operationen ihrer Armeen nicht zur völligen
Abereinstimmung zu bringen vermochten. Wöre dies geschehen — was bei
der räumlichen Trennung ihrer Kräfte ohnehin sehr schwierig war —, so
hätte sich das Abergewicht der Zahl der französischen, englischen, russischen,
italienischen und serbischen Streitkräfte noch in weit höherem Maße geltend
machen müüssen.
Die ungeheure Aufgabe, welche den ssterreichisch-ungarischen Armeen
im Osten gestellt war, wurde durch zwei Umstände erleichtert. Osterreich-
Ungarn konnte fest auf deutsche Hilfe bauen und beim Übergang zur Ver-
teidigung die gefährlichen Einbruchstellen zunächst durch eine zentrale Auf-
stellung decken. Oberschlesien, die Mährische Senke und die Beskidenlücke
lagen so eng zusommen, daß die Einheitlichkeit des operativen Verfahrens