9. Mai
58 Zweites Buch. I: Heinrichs Jugend.
mehrfache Gründe. Erstens war Bayern das Stammesherzogtum der Wel-
fen, Sachsen dagegen ihnen erst ganz kürzlich übertragen. Zweitens befand
sich Bayern schon in staufischer Gewalt, Sachsen noch in welfischer; drittens
war Heinrich Jasomirgott, der jetzige faktische Besitzer und rechtliche Aspirant
Bayerns, dem Könige nahe verwandt; und endlich durfte der Askanier nicht
allzu mächtig werden. Dabei war der König selbst im Notfalle nach öster-
reichischer Seite hin frei, da er ja das Herzogtum Bayern noch in Sequester
hatte').
Die Verhandlungen führten bald zu einem glücklichen Ziele. Unter allen
Verabredungen war die bei weitem wichtigste, daß Gertrud sich mit dem
neuen Markgrafen von Osterreich, Heinrich „Jasomirgott#), vermählen und
diesem Bayern zubringen solle, wofür Sachsen ihrem Sohne als rechtmäßiges
Lehen vom Könige überlassen würdes"?).— Billig mag man fragen, weshalb
sich Gertrud auf diese Heirat eingelassen? Natürlich gab sie damit alle die
Interessen auf, die sie bisher verfochten hatte. Sie gehörte von nun an nicht
mehr dem welfischen, sondern dem staufisch-babenbergischen Geschlechts-
verbande an. Was sie einst ihrem sterbenden Gemahle gelobt, den unmündigen
Sohn zu hegen und zu schützen, das brach sie jetzt. Aber wir dürfen sie nicht
zu strenge beurteilen. Sie war als Kaiserstochter mit den glänzendsten Aus-
sichten in die Zukunft erzogen und mochte jetzt als sechsundzwanzigjährige
junge Frau den Gedanken, ihr ganzes Leben als Witwe zu vertrauern, nicht
ertragen; die Vermählung mit dem jungen, rikterlichen, mächtigen Heinrich
Jasomirgott lockte sie an. Wo des Menschen Eigennutz die Triebfeder seiner
Handlungen ist, finden sich auch bald sittliche Beschwichtigungsgründe für die-
selben ein. Hatte Gertrud nicht ihrem Sohne in der Tat Sachsen bewahrt
und gesichert? Damit glaubte sie ihre Pflicht, soweit man es verlangen
könne, erfüllt zu haben, und also willigte sie ein.
Die übrigen sächsischen Fürsten konnten sich dem fest ausgesprochenen Ent-
schlusse der Regentin nicht widersetzen. Auf dem Reichstage zu Frankfurti)
wurden die Verhandlungen öffentlich bekannt gemacht und bestätigt. Ger-
trud bewog ihren Sohn Heinrich, auf Bayern zu verzichten, worauf ihn der
König dafür mit Sachsen belehntef f). Markgraf Albrecht der Bär von Bran-
denburg mußte jetzt natürlich jeden Anspruch auf das Herzogtum in Sachsen
aufgeben und erhielt nur seine Stammlande sowie seine flawischen Erobe-
*) Seite 45.
*% Er erhielt diesen seltsamen Beinamen von der Beteuerung, die er stets im Munde
führte. Ich werde ihn von jetzt an so bezeichnen, um Irrungen zu vermeiden.
*#½% Otto Fris., Chr. VII, 26.
) S. Krit. Erört., If.
ffl) Otto Frising., Chron. VII, 26: Noricum ducatum, duem consilio matris ducis
Henrici fülius iam abdicaverat. — In einer 1142 (nicht 1141, wie ind. V. und a. regni
Conradi V. beweisen) ausgestellten Urkunde (Scheid, Origines Guelficae II. p. 550)
sagt Erzbischof Markolf von Mainz: domina Gertrudis totius Saxoniae ducissa cum
filio suo duce Heinrico etc.