616 Kritische Erärterungen zum vierten Buche.
videretur pro tali petitione ad pedes eius se velle demittere, qucd dux digcrete.
recusavit. Quidam autem ipsius ducis officielis, Jordanus nomine, narratur.
superbe dixisse: Sinite, domine, ut corona imperialis veniat vobis ad pedes, quia
veniot et ad caput.
Betrachten wir diese Sätze Burchards näher, so finden wir, daß er als sicher nur
bezeichnet, Heinrich habe den Kaiser bei der Belagerung Alessandrias verlassen unter-
dem Vorwande von dessen Exkomm unikation. Zweifelhaft ist ihm, ob Heinrich dafür
von den Gegnern Friedrichs Bestechung genommen habe. Die Zusammenkunft
beim Comersee (Chiavenna) beruht für ihn auf einem Gerüchte, noch zweifelhafter
sind ihm der vom Kaiser versuchte, allerdings von dem Herzoge verhinderte Fußfall
und endlich die übermütigen Worte des herzoglichen Tuschseß Jordan. Man sieht
eben, wie die Legende hier eifrig am Werke ist.
Ahnlich, aber ohne Angabe des Ortes, die Sächsische Weltchronik (M. G. Deutsche
Chroniken, II. 229).
Eine andere Reihe von Quellen weist auf eine Zusammenkunft nördlich der
Alpen, also in Süddeutschland, hin.
So die um 1225 verfaßte, im ganzen recht zuverlässige Chronik, von Lauterburg
(M. G. Ss. XXIII, 157): Fertur quod, cum imperator Mediclanum obsideret, viribus
suis iam valde ettritis, principes Saxonie ad locum qui Bartenkirke dicitur, et est
in introitu Alpium, evocavit et, ut negociis suis auxilium ferrent, rogavit. Omnibus
autem alüs hoc alacriter spondentibus, dux (Heinricusl, licet in prioribus expedi-
cionibus fidelem se ei exhibuisset, hao tamen vice, quia iam cum Longobardis
contra imporatorum Conspiraverat, suum ei priorsus auxilium denegavit.
Diese Darstellung beruht offenbar auf irrigen Grundlagen. Es handelte sich
damals nicht um eine Belagerung Mailands, sondern um den Kampf gegen die
friedensbrüchigen Lombarden. Von einer Zusammenkunft der sächsischen Fürsten
in Partenkirchen ist sonst nichts bekannt, solche auch recht unwahrscheinlich, wie schon
Giesebrecht, Gesch. der altdtsch. Kaiserz., V. 779, hervorgehoben hat. Ubrigens
erschüttert die Lauterberger Chronik die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben selber durch
den Zusatz „ut fertur“.
Schon etwas früher (ca. 1210) ist die Slavische Chronik Arnolds von Lübeck ab-
efaßt; aber sie ist in allen nicht auf seine Nachbarschaft bezüglichen Vorgängen
fehr unzuverlässig (vgl. den Herausgeber Lappenberg, M. G. Ss. XXI, 102). Arnold
berichtet lib. II. cap. 1, p. 128: Imperator . graviter anziatus, exiens de finibus
illis Longobardiae]) transmissis Alpibus venit in partes Teutonicorum, et convocatis
rincipibus, eis perturbationem imperü exposuit, et ad comprimendos rebelles in
talicam expeditionem eos secum evocavit. Ducem etiam Henricum ad huno
laborem omni instantia adducere conatus est, et quia eum formidabilem Longo-
bardis expertus erat, dicebat, se omnimodis sine ipsius presentia contra eos prae-
valere nonposse. Econtra ille pretendebat, se multis laboribus et et expeditionibus
tam ltalicis quam etiam alüs innumeris utpote iom senem defficisse, et omni
devotione imperatorie maiestatis se obsecuturum affirmabat im auro et argento
aterisque impensis ad exercitum contrahendum, se tamen omnino salva gratia
ipsius in perrona propria venire posse negesbat. Ad hec imperator (Holgt eine lange,
rein erdachte Rede). Cumque dux adhuc renueret et ad omne obsequium se paratum
offerret, se tamen in propria persons venire negaret, imperator Consurgens de solio
suo, utpote quem angustie tenebant, ad pedes eius corruit. Dux autem vehementer
conturbatus de re tam inaudit, quod humilius in terra inceret sub quc curvatur
orbis, quantocius eum a terra levavit, nec tamen eius consensui amimum inclinavit.
Die Erzählung Arnolds ist durchaus unzuverlässig. Nach ihm hat der Kaiser
irgendwo in Deutschland einen allgemeinen Hoftag einberufen — von dem doch
sonst keine Spur vorhanden ist, und der schon durch die schwierige Lage der Dinge
in der Lombardei unmöglich gemacht war. Ob Heinrich diesem Hoftage beiwohnt
oder vom Kaiser in einer besonderen Zusammenkunft angefleht wird, bleibt unsicher.
Schließlich legt der Verfasser beiden Fürsten ganz imaginäre Reden in den Mund.
UÜbrigens ist Arnold auch sonst über die Ereignisse dieser Zeit sehr übel unterrichtet.
Er entstellt die Vorgänge in Italien während der Jahre 1176 und 1177 bis zur Un-
kenntlichkeit; er weiß sogar nichts vom Regensburger Reichstage des Jahres 1180
und von der dort geschehenen Verteilung von Heinrichs bayerischen Besitzungen.