Full text: Heinrich der Löwe Herzog von Bayern und Sachsen.

IV. Buch, II. Kapitel. 621 
Dieses Verbrechen genügte zur Verurteilung Heinrichs. „Was den“ — in der 
noch zu besp rechenden Gelnhauser Urkunde angeführten — „reatus maiestatis be- 
trifft" sagt L. Weiland (Das sächs. Herzogtum, S. 167), „so bin ich der festen 
Ansicht, daß darunter nichts anderes zu verstehen ist, als der Hochverrat, dessen sich 
Heinrich der Löwe im Jahre 1176 durch Nichtleistung der Reichshilfe auf dem lom- 
bardischen Zuge Kaiser Friedrichs. schuldig gemacht hatte.“ Weiland weist 
darauf hin, baß schon nach einem Gesetze Karls d. Gr. derjenige, der den heristiz 
begangen, reus maiestatis sei; und auf das Beispiel Erzbischofs Hartwichs I. von 
Bremen, das freilich insofern nicht völlig beweiskräftig ist, weil Hartwich eine von 
den Fürsten beschworene Fahrt nicht mitgemacht hatte. Auch Hans Niese 
Zum Prozeß Heinrichs des Löwen; Zeitschr. f. Rechtsgesch., Germanist. Abt. XXXIV 
11913]1 S. 247) faßt den reatus maiestatis in diesem Sinne auf. 
Man hat schon damals das Vergehen Heinrichs mit lebhaften Farben aus- 
gemalt. Er soll sich in eine förmliche Verschwörung gegen den Kaiser eingelassen 
haben: und zwar mit den Lombarde n (Chron. Mont. Ser., p. 157); mit den Griechen 
(Gottfr. Viterb. p. 332, 334; Ricard. Divis. p. 101), wobei man bestätigend anführt 
(Güterbock, a. a. O.), daß schon im Jahre 1164 eine Gesandtschaft Kaiser 
Manuels nach Braunschweig gekommen sei (Helmold M. G. Ss. XXI, 91, während 
Cont. Cremifanensis Ss. IX, 564 zu 1172 Heinrich sich auf seinem Zuge nach Palästina 
mit den Griechen verschwören läßt); endlich mit seinm Schwiegervater, dem Könige 
von England, zu dem Herzogin Mathilde in den Jahren 1174—1176 mehrfach Boten 
abgeschickt hatte (Pipe Roll Societies Publications, XXVII (18971] S. 118, XXXV 
11904), S. 11, 13). 
Man hat bisher diesen Anschuldigungen geringes Gewicht beigelegt, und es ist 
eine Tatsache, daß sie sehr allgemeiner Natur und allzu unbestimmt sind, als daß 
man auf ihnen fußen könnte. Allein es muß uns doch bedenklich stimmen, wenn 
ein Mann wie Gottfried von Viterbo, der als Notar, d. h. Geheimschreiber Kaiser 
Friedrichs, beständig an seinem Hofe lebte, in dem unmittelbar nach den Ereignissen 
(zwischen den Jahren 1181 und 1184) zeschriebenen geschichtlichen Epos gegen 
Heinrich die Anklage erhebt, er habe mit den Franzosen, Engländern, Normannen 
gegen den Kaiser intriguiert, ganz besonders aber von den Griechen Geld genommen 
um seinen Lehnsherrn zu schädigen und zu bekämpfen“"). 
Es gibt für uns kein Mittel, die Wahrheit dieser Beschuldigungen festzustellen. 
Aber es ist kein Zweifel, daß sie am kaiserlichen Hofe für wahr gehalten wurden. 
Auch in die offiziellen Kreise des Auslandes verbreitete sich diese Ansicht. Der halb- 
amtliche Geschichtsschreiber, der die Ereignisse König Heinrichs II. von England 
aufzeichnete, spätestens im Jahre 1192, berichtet, daß Kaiser Friedrich selber den 
Herzog beschuldigte, nicht allein durch Versagung der Truppenhilfe den Verlust der 
Lombardei herbeigeführt, sondern auch sich mit Manuel, dem Kaiser von Konstanti- 
nopel, zu seinem und des Reiches Schaden verbunden zu habens). 
Bielleicht wird die Zukunft über diese Vorgänge mehr Licht verbreiten. Gehört 
es in diesen Zusammenhang, daß zu gleicher Zeit mit den Gesandten Heinrichs des 
Löwen auch solche des Kaisers Manuel sich am Hofe des Königs von England ein- 
gefunden hatten?“)? 
Alerdings hat der Kaiser zunächst die Anklage wegen Hochverrats gegen 
Heinrich nicht erhoben; sie ist erst später zur Verstärkung des Urteils gegen Sichen 
hervorgeholt worden. Allein offenbar ist seit 1176 die Haltung Friedrichs gegen den 
Herzog eine veränderte, feindliche; und die auffallende Tatsache, daß bei der Aus- 
söhnung zu Venedig unter den gegenpäpstlich gesinnten Bischöfen nur Geo von 
Halberstadt und Balduin von Bremen, die beiden blinden Anhänger und Gehilfen 
  
  
5% Versus 1147 ff. (M. G. Se. XXII,. 332.) 1210 ff. (das. G. 384). Bei der Absetyzung Heinrichs 
des Lowen V. 1157 ff.: 
Tardus ad hec festa rex Gallus et Anglicns extat, 
Non erlt hio Sluall res valitura tibl! 
Anglicus et Siculus, gens Galllca, munera Greci 
Nil magis auxilü referent quam lumina jecis. 
% Ex gestis Henricl II. (M. G. Ses. XXVI,. 101). Dicebat ... Imperator, duod per de- 
fectum ducis amiserat Longobardiam, quia non permisit quod exeroltus sul eum seque-- 
rentur. Preterea ipse dicebat, qucd idem dux profectus erat ad Manuelem Imperatorem 
Constantinopolitanum in detrimentum ipslus et imperil Romani. 
% ) Radulfus de Diceto (M. G. Ss. XXVII), p. 269.
	        
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