Full text: Heinrich der Löwe Herzog von Bayern und Sachsen.

622 Kritische Erörterungen zum vierten Buche. 
Heinrichs des Löwen, abgesetzt wurden, beweist, daß damit der Kaiser den Kampf 
gegen diesen vorbereitete. Sofort nach der Rückkehr nach Deutschland ruft Friedtich 
die Klagen der Fürsten gegen Heinrich hervor und gibt ihnen Folge. ## 
Die Fürsten treten in dem rechtlichen Verfahren einzig als Ankläger gegen 
Heinrich von Bayern und Sachsen hervor; die Erfurter älteren und neueren Annalen 
(Schulausgabe S. 63 ff., 188 ff.) sowie die Kölner Königschronik (Schulausgabe 
S. 130) wissen nur von den Klagen des Erzbischofs Philipp von Köln und sechs 
anderer Fürsten gegen diesen zu erzählen. Wahrscheinlich hat der Kaiser es unter- 
lassen, die förmliche Anklage wegen der Heeresflucht zu erheben, weil so viele andere 
Fürsten eigentlich in ähnlicher Lage sich befanden, wie Heinrich der Löwe. Aber nur 
dadurch, daß der Kaiser nicht, wie er früher getan, den Herzog gegen seine Feinde 
in Schutz nahm, sondern deren Anschuldigungen begünstigte und ihnen Folge gab., 
konnte das Verfahren gegen Heinrich durchgeführt werden. Der Kaiser erschten 
jedem Unterrichteten als der hauptsächlichste Gegner des Welfen). 
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Wie war der Verlauf des Prozesses? 
Auffallend ist die große Zahl der Reichs- und Hoftage, auf denen er verhandelt 
wurde. Das Angemessene wären höchstens vier Tage gewesen; drei Termine, zu 
denen der Angeklagte zu laden gewesen wäre, und der vierte Tag der des Urteis. 
Dagegen finden wir ihrer mindestens acht. 
Man hat das mehrfach zu erklären versucht. 
D. Schäfer (Die Verurteilung Heinrichs des Löwen: Hist. Zeitschr. LIXXVI 
11896), S. 39 ff.) weiß von einem doppelten Verfahren zu berichten. In Magdeburg, 
Nürnberg, Kaina sei Heinrich wegen Landfriedensbruch verfolgt, in Kaina den 
klagenden Fürsten das Recht zugesprochen worden, ihn mit Waffengewalt zu ver- 
folgen. Dann aber sei er der hochverräterischen Verbindungen mit den Reichs- 
feinden angeklagt worden, auf den Terminen zu Magdeburg, Erfurt oder Nürnberg 
und Ulm. In Würzburg sei dann die Acht über ihn verhängt worden. — Dieses 
zanze System bricht aber vor den Tatsachen zusammen. Eine Anllage wegen Ver- 
indung mit den Reichsfeinden wird nirgends glaubhaft erwähnt. Der Reichslag 
zu Nürnberg ist eine Erfindung der Pegauer Annalen (Simson in Giese- 
brecht, Deutsche Kaiserzeit, VI [Leipzig 1895), S. 566). In Ulm ist über Heinrich 
überhaupt nicht verhandelt worden. In Erfurt unterwarf sich Heinrich nach Be- 
endigung des gerichtlichen Verfahrens. Damit ist die Hypothese Schäfers beseitigt. 
Güterbock (a. a. O., S. 87 ff.) mmmt gleichfalls ein doppeltes Verfabten, 
gegen ihn an: ein lehnrechtliches, wegen Ungehorsams, und ein landrechtliches, 
wegen seiner Gewalttaten gegen andere Fürsten. Dabei stößt diesem Autot der 
Unfall zu, daß er schon in Speier, also am 11. November 1178, vor allen anderen 
rechtlichen Prozeduren das lehnrechtliche Verfahren wegen Ungehorsams im Gericht 
— nicht wegen der Gewalttaten — gegen Heinrich eröffnen läßt, obwohl dieser doch 
noch nicht die mindeste Gelegenheit gehabt hatte, sich einer Ladung vor das kaiser- 
liche Gericht ungehorsam zu erweisen! 
Haller (Der Sturz Heinrichs des Löwen, S. 372 ff.) kommt auch zu der An- 
nahme eines doppelten Verfahrens. Die Anklagepunkte gegen Heinrich seien aus- 
schließlich landrechtliche gewesen und hätten zu seiner Achtung in Kaina geführt 
nachher habe aber der Kaiser, um ihn wegen seiner erneuten Feindseligkeiten zu 
strafen, ihn auch lehnrechtlich verfolgt und darüber zu Würzburg seiner Lehen be- 
raubt. Weshalb sollte Friedrich nun auf einmal gegen den Herzog Partei ergten#en, 
nachdem er sich bis dahin mit Ostentation äußerlich unparteiisch gezeigt, hinter den 
Fürsten verborgen hatte? Und kein einziger zeitgenössischer Schriftsteller spricht von 
einem doppelten Verfahren. 
Friedr. Klein (sDas Gerichtsverfahren gegen Heinrich den Löwen, Plo- 
gramm, Swinemünde, 1902:03, S. 23 ff.) nimmt gar ein dreifaches Verfabren an: 
ein Achtsverfahren, eins wegen Hochverrats und ein lehnrechtliches. Es ist des 
  
  
4% Gottfried von Viterbo, Gesta Frlderlol metrica, p. 232, versus 1153 ff.: Haec (das Würdail. 
Heinrichs mit den Griechen) ubl pros pexit Caesar, non erlmina texlt. 
Ultio surrexit, subitanea hella Ccapesecit, 
Tollit ubique torum rex dieis, arva. forum.
	        
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