Full text: Heinrich der Löwe Herzog von Bayern und Sachsen.

64 Zweites Buch. I: Heinrichs Jugend. 
(843 bis Unter Ludwig dem Deutschen standen die Slawen, d. h. Obotriten und 
876) Wilzen, in einem sehr zweifelhaften Abhängigkeitsverhältnis zu Ostfranken. 
Bald erkannten sie Ludwigs Oberherrschaft an, bald vereinigten sie sich mit 
den Normannen zu räuberischen Einfällen in das deutsche Gebiet. Wichtig 
für die Abwehr und Bekämpfung der Slawen schien die Erhebung der Ludol- 
finger auf den herzoglichen Stuhl von Sachsen werden zu müssen: das erste 
Mal, dafß dieser freie und stolze Volksstamm sein Haupt unter eine emheit- 
liche Zentralgewalt beugte. Dadurch wurde natürlich die Kraft der tapferen 
Sachsen gegenüber den Slawen bedeutend erhöht. Aber im Anfange 
(880) bewährte sich die neue Schöpfung nicht. Vier Jahre nach Ludwigs Tode 
fiel ein großer Haufe Dänen und Obotriten in Sachsen ein und schlug und 
tötete den Herzog Brun mit vielen Vornehmen und Geringen. Einen ver- 
einigten Angriff der Böhmen, Sorben und Wilzen auf Thüringen warf 
Graf Poppo noch siegreich zurück. — Von nun an war von keiner Unter- 
ordnung der Slawen unter die Deutschen mehr die Rede. Vielmehr ver- 
banden sich die Daleminzier mit den Ungarn und Dänen, und alle drei 
Völker verheerten Ostfalen um die Wette. 
Dies wurde zuerst unter Heinrich I. wieder anders. Nachdem dieser 
Herrscher sich vor den Ungarn auf neun Jahre Ruhe verschafft, unterwarf er 
ir in sechsjährigen heldenmütigen Kämpfen die sämtlichen wendischen Stämme 
mit Ausnahme der Pommern. Zwar erhoben sich die Slawen in immer 
neuen Aufständen, doch war Otto der Große nicht minder siegreich gegen sie, 
als sein wackerer Vater. Vorzüglich stand ihm hierbei der Markgraf der 
Nord-= (später Alt-mark zur Seite, Gero, ein tapferer, energischer, freilich 
auch gewalttätiger Mann. Festungen und starke Abteilungen königlicher 
(um 950) Dienstmannen waren durch ganz Wendenland zerstreut und hielten es in 
Furcht und Untertänigkeit. Die schlimmsten Verbrecher wurden begnadigt 
und nach Slawien deportiert, wo sie Waffen erhielten und bei dem geringsten 
Aufruhrversuche der Slawen auf diese losgelassen wurden. So entstand u. a. 
Merseburg im Dalemienzierlande. Harte Abgaben, durch Deutsche erhoben, 
drückten auf die Besiegten; all ihr Tempelgut wurde zum Besten der Kirchen 
eingezogen, während auch die königlichen Domänen sich bis an die Oder aus- 
dehnten. 
Neue Aufsstände führte Wichmann herbei, der Neffe und Neider Herzog 
Hermann Billungs, des Befehlhabers der sächsischen Mark“); plündernd und 
mordend drangen die Wenden in das sächsische Gebiet an der Unterelbe ein. 
Aber der tapfere Gero rächte ihre Verwüstungen blutig. Mit ihm zog dann 
(954) Kaiser Otto der Große ins Feld und schlug die Zirzipaner und Tollenzer 
gänzlich. Auch die Lusitzer unterwarf Gero zum größten Teile. So war gegen 
das Ende von Ottos I. Regierung das ganze Slawenland bis zur Peene, 
Ucker, Havel und Spree der deutschen Herrschaft unterworfen. 
  
64% S. Einleit., S. 27 f.
	        
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