66 Zweites Buch. I: Heinrichs Jugend.
Holstein Adolf I. von Schauenburg das Grafenamt erhielt. Zwischen Adolf I.
und Heimnrich entstand bald ein durch das gegenseitige Interesse gestärktes
Bündnis. Als die wilden Ranen mit großer Macht vor Altlübeck, der Residenz
Heinrichs, erschienen, rettete diesen nur ein holsteinisches Heer, das bei Siense
an der Trave die Ranen entscheidend schlug. Mit deutschen Hilfstruppen
dehnte Heinrich seine Herrschaft auch über die sämtlichen Wilzenstämme,
Ranen und Pommern aus, so daß seine Macht sich über alle Ostseeländer bis
an die polnische Grenze erstreckte. Holsteiner waren auch in dem Heere, mit
dem „König“ Heinrich die Brizaner und Stoderaner in Nordbrandenburg
sich unterwarf.
Aber Heinrichs Reich war auf zu künstliche Weise zusammengefügt, ver-
dankte zu sehr fremder Unterstützung seinen Ursprung, um lange existieren zu
können. Zum Glücke für die Deutschen, gegen die es sich später gewiß gekehrt
haben würde, überlebte es seinen Stifter nicht. Nach dessen Tode gerieten
(1125) dessen Söhne Zwentopolk und Knut bald in Zwist über die Erbschaft und
fanden beide in den nun entstehenden Streitigkeiten ihren Tod. Da auch
Zwentopolks Sohn Zwinike zu Artlenburg ermordet wurde, war damit die
(1130) Nachkommenschaft Heinrichs schnell erloschen.
Nicht nur war so jenes mächtige Reich der Wenden zerfallen, es schien
sogar, als ob selbst ihrer Unabhängigkeit ein schnelles Ende drohte. Denn jetzt
erhob Knut Halvarde, der kräftige Herzog von Schleswig, als Neffe des
Königs Niels von Dänemark, des Oheims Heinrichs, Anspruch auf den
obotritischen Thron. Gern gewährte König Lothar III. das Gesuch des mäch-
tigen Bundesgenossen und krönte ihn eigenhändig zum Könige der Obotriten.
Sofort aber regte sich gegen Knut die nationale Opposition unter den
Slawen. Ein Enkel von König Heinrichs älterem ermordeten Bruder Buthue,
Pribislaw, und ein obotritischer Großer, Niklot, erhoben sich gegen denfremden
Herrscher, obwohl dieser ein persönlich edler und bedeutender Charakter war.
Verrat brachte diese Häupter der Nationalpartei in die Gewalt Knuts, der
sie mur gegen das Versprechen freiließ, sich von nun an ruhig zu verhalten.
Nicht lange freute sich Knut des errungenen Sieges; wenige Jahre später
(1131) wurde er von seinem Vetter, dem Dänenkönige Magnus, ermordet.
Dadurch wurde der nationalen Partei wieder neuer Aufschwung er-
möglicht; Pribislaw und Niklot gelangten zu einer — wenn auch geringeren
— Macht. Während jener Wagrien und Polabien, besetzte dieser Obotritien
und machte sich auch die wilzischen Kissinen und Zirzipaner untertan; die
übrigen Stämme blieben unter kleine Wojewoden ohne politische Bedeutung
verteilt. So vereinzelt und ohne Zusammenhang, waren die Slawen nicht
(1134) imstande, dem Stoße zu widerstehen, den bald darauf Kaiser Lothar gegen
sie führte, indem er sich eines großen Teils von Wagrien bemächtigte") und
ernstlich mit der Verbreitung des Christentumes unter ihnen begann, das in
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