Full text: Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts.

32 Einleitung. 8. 17. 
Fertigung erforderlich war, konnten fortan giltig nur von einem 
Notar abgeschlossen werden.)) Durch die Einführung der Civilproceß= 
Ordnung mit Gesetz vom 29. April 1869 sind auch diejenigen 
Wirkungen der Siegelmäßigkeit, welche sich auf das Streitver- 
fahren vor Gericht bezogen, ebenfalls erloschen und es bleiben 
daher fortan nur soche Rechte bestehen, welche etwa das bestehende 
Civilrecht dem Siegelmäßigen eingeräumt hat.s) 
§. 17. 
3) Die Gemeindeverhältnisse und die Staatsverfassung. 
1) Die Verhältnisse der Ortsgemeinden (Land= und Stadt- 
gemeinden) behielten innerhalb des betreffenden Zeitraums in der 
Hauptsache diejenige Gestaltung bei, welche sie unmittelbar vor 
der Erlassung der Verfassungsurkunde durch die Verordnung vom 
17. Mai 1818 erhalten hatten. Die Revision derselben durch 
das Gesetz vom 1. Juli 1834 hatte wesentlich nur zum Zwecke, 
einzelne Punkte näher zu erläutern und Lücken zu ergänzen; zu 
den wichtigeren Aenderungen derselben gehörte die veränderte Zu- 
ständigkeit der Gemeinde-Behörden in Bezug auf das lokale 
Stiftungsvermögen, indem ihnen die Verwaltung des Cultusver- 
mögens abgenommen wurde. — Die neue Regelung der Ge- 
meindeverhältnisse durch die Gemeinde-Ordnung von 29. April 
1869 gehört dem dogmatischen Staatsrechte an. 
Eine organische Entwicklung der inneren Verhältnisse des Landes 
brachten die beiden Gesetze vom 28. Mai 1852, die Distrikts= und die 
Landräthe betr., die Amtsbezirke der damaligen äußeren Verwaltungs- 
behörden — der Landgerichte — und die der Mittel= oder 
7) S. das Notariatsgesetz Art. 150 Abs. II. a. E. und Art. 16. Durch 
dieses Gesetz ist u. A. auch das den Siegelmäßigen vorher zukommende 
Recht der Beschreibung der Verlassenschaft (Beil. VIII. S§. 8 und 9) fortan 
hinfällig geworden; denn das Recht Vermögensinventare zu errichten, steht 
nur den Notaren zu (Art. 19 des Not.-Ges.) 
8) Dahin gehört insbesondere die Bestimmung des bayer. Landrechts 
Th. I. Cap. 5 §F. 5 Nr. 3, welche dem siegelmäßigen Vater auf Lebenszeit 
den Genuß des Mutterguts seiner Kinder auch nach aufgehobener väterlicher 
Gewalt einräumt. Wir wollen jedoch nicht verhehlen, daß auch die Fort- 
dauer solcher Rechte im Hinblick auf den Art. 7 des angeführten Grund- 
lagengesetzes erheblichen Bedenken unterliege.
	        
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