30 § 11. I. Reichstagswahlgesetz.
85.
In jedem Bundesstaate wird auf durchschnittlich 100,000 Seelen
derjenigen Bevölkerungs-Zahl, welche den Wahlen zum verfassungs—
gebenden Reichstage zu Grunde gelegen hat, Ein Abgeordneter ge-
wählt. Ein Ueberschuß von mindestens 50,000 Seelen der Gesamt-
bevölkerung eines Bundesstaates wird vollen 100,000 Seelen gleich
gerechnet. In einem Bundesstaate, dessen Bevölkerung 100,000 Seelen
nicht erreicht, wird Ein Abgeordneter gewählt. Demnach beträgt die
Zahl der Abgeordneten 297 6) und kommen auf Preußen 235, Sachsen
23, Hessen 3, Mecklenburg-Schwerin 6, Sachsen-Weimar 3, Mecklen-
burg-Strelitz 1, Oldenburg 3, Braunschweig 3, Sachsen-Meiningen 2,
Sachsen-Altenburg 1, Sachsen-Coburg-Gotha 2, Anhalt 2, Schwarz-
burg-Rudolstadt 1, Schwarzburg-Sondershausen 1, Waldeck 1, Reuß
ältere Linie 1, Reuß jüngere Linie 1, Schaumburg-Lippe 1, Lippe 1,
Lauenburg 1, Lübeck 1, Bremen 1, Hamburg 3. Eine Vermehrung
der Zahl der Abgeordneten infolge der steigenden Bevölkerung wird
durch das Gesetz bestimmt. 86
Jeder Abgeordnete wird in einem besonderen Wahlkreise gewählt.
Jeder Wahlkreis wird zum Zwecke der Stimmabgabe in kleinere
Bezirke geteilt, welche möglichst mit den Ortsgemeinden zusammen—
fallen sollen, sofern nicht bei volkreichen Ortsgemeinden eine Unter—
abteilung erforderlich wird.
Mit Ausschluß der Exclaven müssen die Wahlkreise, sowie die
Wahlbezirke räumlich abgegränzt und thunlichst abgerundet sein.
Ein Bundesgesetz wird die Abgrenzung der Wahlkreise be—
stimmen?). Bis dahin sind die gegenwärtigen Wahlkreise beizubehalten,
mit Ausnahme derjenigen, welche zur Zeit nicht örtlich abgegrenzt und
zu einem räumlich zusammenhängenden Bezirke abgerundet sind. Diese
müssen zum Zwecke der nächsten allgemeinen Wahlen gemäß der Vor—
schrift des dritten Absatzes gebildet werden.
dem Bundesrat austreten. Die einzelnen Bundesfürsten dagegen und der Kaiser
sind nicht wählbar. — Zur passiven Wahlfähigkeit gehört ebenso wie zur aktiven:
männliches Geschlecht. Ofr. hieher auch die Bestimmung von § 6 Absatz 2
des Ges. vom 15 und 19. März 1888 über die deutschen Schutzgebiete bezüglich
des Wahlrechtes der in den Schutzgebieten naturalisirten (früheren) Ausländer und
Eingeborenen. Web. 18, 769, ferner § 2 des Gesetzes vom 25. Juni 1873 über
Elsaß-Lothringen Web. 10, 45.
") Hiezu kommen nun noch: für Bayern 48, Württemberg 17, Baden 14,
Hessen südlich des Mains 6, Elsaß-Lothringen 15 Abgeordnete, so daß die jetzige
Gesamtzahl der Reichstagsabgeordneten 397 ist.
*) Ein solches Gesetz ist noch nicht erlassen. Die norddeutschen Reichstags-
wahlkreise sind zur Zeit noch bestimmt, wie in Anlage C zum Wahlreglement an-
gegeben, abgedruckt in Web. 8, 564 ff. und Rasp, Comm. S. 38—58.
Die bayrischen Reichstagswahlkreise sind enthalten in der Bek. vom
27. Februar 1871 (B. G.-Bl. 35) bezw. M.-E. vom 1. Februar 1871, teil-
weise geändert durch M.-E. vom 12. September 1881, abgedruckt in Web. 8, 720
bis 722, Rasp S. 65—70 (s. oben Text S. 23 u. 24 und die Anmerkung 7 hiezu)