§ 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. Tit. VII. 493
Titel VII.
Von dem Wirkungskreise der Stände-Versammlung.-)
8 1. Die beiden Kammern können nur über jene Gegenstände
in Beratung treten, die in ihren Wirkungskreis gehören, welcher in
den §8 2 bis 19 näher bezeichnet ist. 57) 57)
8§ 2. Ohne den Beirat und die Zustimmung der Stände des
Königreichs kann kein allgemeines neues Gesetz, welches die Freiheit
der Personen oder das Eigentum der Staats-Angehörigen betrifft,
erlassen, noch ein schon bestehendes abgeändert, authentisch erläutert
oder aufgehoben werden. ö8) 558 a) 58 b)
*) v. Seyd. 1, 348 ff.: „die rechtliche Stellung des Landtages“; v. Pözl,
Verf.-Recht 5. Aufl. S. 524—548.
57) Nach § 1 Tit. II der Verf.-Urk. vereinigt der König als Oberhaupt
des Staates alle Rechte der Staatsgewalt in sich und übt sie unter den von
ihm gegebenen in der Verfassungsurkunde festgesetzten Bestimm-
ungen aus. Der Landtag kann also nur in Bezug auf die Ausübung dieser
Rechte und nur da, sei es unterstützend oder beschränkend, zur Mitwirkung be-
rufen sein, wo die Verfassung selbst eine solche Mitwirkung statuiert. Während
also der König an sich unbeschränkt, bezw. in Bezug auf die Ausübung der
Regierungsrechte nur insoweit an Schranken gebunden ist, als dies verfassungs-
gemäß speziell bestimmt wird, ist dagegen der Landtag zur Ausübung von Rechten
nur berufen und befugt, wenn und soweit er ausdrücklich durch die Verfassung
hiezu autorisiert wird. Die Fälle aber, in welchen der Landtag aus-
nahmsweise zur Mitwirkung bei der Ausübung der dem Könige zustehen-
den „Rechte der Staatsgewalt“ mitberufen ist, sind in den §8§ 2 bis 19 des
Tit. VII der Verf.-Urk. erschöpfend aufgezählt. Außer den hier genannten sind
dem Landtage durch die Verfassung keine weiteren diesbezügl. Befugnisse zugesprochen.
57#)) Das Gesetz über die ständische Initiative vom 4. Juni 1848 (Web.
3, 689) siehe unten bei Lit. X § 7 Anm. 120. ·
Es)DieBestimmungdes§21-c.hatdurchdenEintrittBayernsmsdeutsche
Reich insoferne eine gewisse Aenderung erfahren, als durch die auf verfassungs-
mäßigem Wege erfolgte Annahme der Reichsverfassung im einzelnen Falle die
Mitwirkung des bayerischen Landtages zur Erlassung derijenigen Gesetze, welche
nach Art. 2, 4 und 78 der Reichsverfassung zur Kompetenz des Reichstages ge-
hören bezw. deren Erlaß der Reichsgesetzgebung zugehört, ausgeschlossen ist. Vergl.
hiezu die Ausführungen in § 32 S. 82 Anm. 2 und § 35a S. 93 Anm. 4.
Siehe hiezu:
a. die kgl. Deklaration vom 16. November 1867 „die Zoll= und Handels-
verhältnisse betr.“
„Wir haben Uns über den gemeinschaftlichen Beschluß der Kammer
der Reichsräte und der Kammer der Abgeordneten bezüglich der auf
Unseren Befehl wegen der Zoll= und Handelsverhältnisse an dieselben
gemachten Mitteilungen, nämlich:
a. des Vertrages zwischen Bayern, dem norddeutschen Bunde, Würt-
temberg, Baden und Hessen d. d. Berlin, den 8. Juli 1867 „die
Fortdauer des Zoll= und Handelsvereins betr.““) nebst Schlußproto-=
koll vom gleichen Tage — und
b. der Uebereinkunft zwischen Bayern, Preußen, Sachsen, Württemberg,
Baden, Hessen, den bei dem thüringischen Zoll= und Handelsvereine betei-
*) Siehe Web. 7, 39—64. Vergl. hiezu Art. 33—40 der Reichs-Verf.) besonders Art. 40;
s. oben § 35a S. 112 Anm. 79, (wo es statt Web 9, 39—64 heißen muß: *Wr ¾ 39—64).