534 8 90a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 2. Beilage.
kannt, so werden sie nach dem Glaubensbekenntnisse der Mutter er—
zogen.49)
§ 22. Findlinge und natürliche Kinder, deren Mutter unbekannt
ist, folgen der Religion desjenigen, welcher das Kind aufgenommen hat,
soferne er einer der öffentlich eingestcheten Kirchen angehört, oder der
Religions-Partei des Findlings-Instituts, worin sie erzogen werden.
Außer diesen Fällen richtet sich ihre Religion nach jener der Mehrheit
der Einwohner des Findlingsorts.ö5)
Weise erfolgt ist. In letzterer Beziehung haben die Grundsätze der einschlägigen
bürgerlichen Gesetze Maß zu geben.
Im rechtsrheinischen Bayern ist die Anwendung des § 21 der 2. Verf.=
Beilage jedenfalls als ausgeschlossen zu erachten, wenn bei einer freiwilligen An-
erkennung der Vaterschaft von Seite des natürlichen Vaters die diesbezügliche
Erklärung nicht in einer öffentlichen Urkunde vor dem zuständigen Gerichte oder
dem Standesbeamten stattgefunden hat, sondern nur eine Privaterklärung oder
eine Erklärung vor einer Verwaltungsbehörde erfolgt ist.
Näheres über die Erfordernisse dieser „Anerkennung“ seitens des natür-
lichen Vaters s. Bd. III 8§ 219. Aufßereheliche Kinder, deren Mutter unbekannt ist,
werden wie die Findlinge behandelt; s. Anm. 50.
77) Bezüglich der Erziehungsrechte der außerehelichen Mutter s. endlich
Entsch, des Verw.-Ger.-Hofes vom 25. Mai und Plenarbeschl. vom 23. Oktober
1889 Bd. 11, 18: Die Bestimmungen in Abschn. I Kap. 3 der 2. Verf.-Beil.
beschränken sich nicht auf die Erziehung der Kinder in der Glaubenslehre einer
anerkannten Kirchengesellschaft.
Einer unverehelichten, der freireligiösen Gemeinde angehörigen Mutter kann
nicht verwehrt werden, ihr außereheliches, vom Vater nicht anerkanntes Kind in
den Lehren der freireligiösen Gemeinde zu erziehen.
Entsch., des Verw.-Ger.-Hofes vom 23. Dezember 1890 Bd. 12, 442: die
der außerehelichen Mutter über ihre Kinder durch das preußische Landrecht ein-
geräumte Erziehungsgewalt wird durch die Spezialbestimmung dieses Gesetzes dahin
eingeschränkt, daß diese Kinder bis zum geendigten 14. Lebensjahr in dem Glauben
der Mutter zu erziehen sind.
Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 23. Juni 1896 Bd. 17, 317: im
Geltungsbereiche des gemeinen Rechtes steht der außerehelichen Mutter die Be-
rechtigung, über die religiöse Erziehung ihres Kindes zu verfügen, nur mit Ge-
nehmigung der Vormundschaft zu. Im Falle der Meinungsverschiedenheit zwischen
dn ormunde und der Vormundschaftsbehörde ist der Ausspruch der letzteren
maßgebend.
*50) Zu den Findlingen können auch eheliche Kinder gehören; Findlinge
im Sinne vorliegender Gesetzesbestimmung sind überhaupt alle Kinder, deren
Vater und Mutter unbekannt ist, also die Kinder „von unbekannter Herkunft".
Bei diesen sind dreierlei Fälle zu unterscheiden:
a. derjenige, welcher sie augenommen hat, gehört einer „öffentlich ein-
geführten Kirche" an;
b. die Findlinge sind in einer Anstalt aufgenommen, welche einer be-
stimmten Religionspartei gehört;
. der sie Aufnehmende gehört keiner „öffentlich eingeführten Kirche“, das
Institut, in dem sie erzogen werden, gehört nicht speziell einer bestimm-
ten Religionsgesellschaft an. »
Im Falle a, welcher sich dem Wortlaute des Gesetzes nach nur auf die
anerkannten christlichen Konfessionen bezieht, werden sie in der Religion des Auf—
nehmenden (also wenn sie von einem in gemischter Ehe lebenden Ehepaar
aufgenommen werden, in der Religion desjenigen Eheteils, welcher den Findling
faktisch aufnimmt bezw. erzieht);