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§ 90a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 2. Beilage. 55
parteien zu einer Kirche 121) berechtigt sind, so müssen die Rechte einer
jeden hauptsächlich nach den vorhandenen besonderen Gesetzen oder Ver-
trägen beurteilt werden.
8§ 91. Mangelt es an solchen Bestimmungen, so wird vermutet,
daß eine jede dieser Gemeinden mit der andern gleiche Rechte habe.
§ 92. Die Entscheidung der über Ausübung dieser Rechte ent-
stehenden Streitigkeiten, wenn die Beteiligten sie durch gemeinschaftliches
Einverständnis nicht beizulegen vermögen, gehört an das Staatsmini-
sterium des Innern, welches die Sache nach Verhältnis der Umstände
vor den Staatsrat bringen wird. 125)
in diesen Vorschriften Bestimmungen nicht getroffen sind, kommen auch für diese
Fälle die Normen des bürgerlichen Gesetzes zur Anwendung.
122) Hier sind die „Gemeinden“ als die berechtigten Subjekte bezeichnet.
Unter diesen „Gemeinden“ sind offenbar diejenigen Rechtssubjekte zu verstehen,
welche für die betr. Religionsgenossenschaften — seien es öffentliche oder Privat-
genossenschaften — die Gesamtheit aller vermögensrechtlichen Interessen der betr.
örtlichen Vereinigungen (Pfarrverbände) zu wahren bezw. zu vertreten haben.
Bei öffentlichen Religionsgesellschaften sind dies in der Regel die Kirchenstiftungen
bezw. Kirchenverwaltungen desjenigen katholischen, protestantischen oder refor-
mierten Pfarrsprengels, welchem das betr. Simultaneum zusteht; doch auch das
Pfarramt bezw. der Pfarrer, wenn seine Zuständigkeit als rector ecclesiae (Kirchen-
vorsteher) gegeben erscheint. S. unten Bd. II § 223, ferner über das Verfahren
Anm. 125 a. E.
Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 9. Juli 1890 Bd. 12, 256; „die prote-
stantischen Kirchenvorstände sind nicht legitimiert, in einem Verwaltungstreitver-
fahren nach Art. 10 Ziff. 11 des Gesetzes vom 8. August 1878 über den Verw.=
Ger.-Hof eine Parteistellung einzunehmen“; ferner Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes
vom 2. März 1888 Bd. 9, 425, bes. 427, unten 8 223.
120) Das Wort „Kirche“ spricht dafür, daß es sich hier — im Gegen-
satze zu § 100 „Kirchhof“ — lediglich um christliche Religionsgesellschaften
handelt.
125) Nunmehr ist der Instanzengang derart, daß — wenn es sich um
die Ausübung der Simultanrechte, nicht um diese selbst handelt — in erster
Instanz das kgl. Bezirksamt, in zweiter die königliche Kreisregierung, Kammer
des Innern, und in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtshof entscheidet.
Siehe Anm. 121. Art. 10 Ziff. 11 und Art. 45 Abs. 4 des Gesetzes
vom 8. August 1878 über den Verw.-Ger.-Hof.
Hiezu Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 18. November 1887 Bd. 9, 271:
ein Streit zwischen einer politischen Gemeinde und einer kirchlichen Gemeinde in
Bezug auf die Benützung einer Simultankirche fällt nicht in den Rahmen des
Art. 10 Ziff. 11 des Verw.-Ger.-Hofs-Ges. (Vergl. auch Entsch. vom 23. März
1892 Bd. 13, 467 in Anm. 136 a. E.) Eine Streitsache im Sinne dieser Ge-
setzesbestimmung ist dagegen dann gegeben, wenn eine Kirche, zu deren Benützung
Katholiken und Protestanten gleichmäßig berechtigt sind, durch letztere für eine
ihnen zukommende Benützungsstunde den dortigen Altkatholiken zur Vornahme
gottesdienstlicher Verrichtungen überlassen werden will und die Katholiken die se
Ausübung des Besitzrechtes der Protestanten als unzulässig bestreiten. Eine
derartige Gestattung der Kirchenbenützung ist als eine den Besitzstand der Be-
igen thatsächlich beeinflussende und schmälernde Gebrauchsneuerung zu
erachten.
Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 10. Oktober 1888 Bd. 10, 181: in—
soweit bei Entscheidung von Streitigkeiten über Ausübung von Simultanrechten
Uebung und Besitzstand in Betracht kommen, ist nicht unbedingt und aus-
schließlich die jüngste Zeit maßgebend.