Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

8 29. Die Staatsverträge. 73 
Nach Abs. III dieses Art. 11 aber ist, insoweit die Verträge 
mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände beziehen, welche nach 
Art. 4 in den Bereich der Reichsgesetz gebung gehören, zu ihrem 
Abschluß die Zustimmung des Bundesrates und zu ihrer Giltigkeit 
die Genehmigung des Reichstages erforderlich. Bei dieser einschräu- 
kenden Bestimmung ist der Art. 4 offenbar nur beispielsweise ange- 
führt und sollte nach den Worten „nach Art. 4“ ein 2c. 2. oder 
vor denselben ein z. B. stehen. Der Ton bei Art. 11 Abs. 3 l. c. 
ist ganz besonders auf das Wort Gesetz gebung gelegt und dadurch 
ausgedrückt, daß überall da, wo zur Regelung der zur Kompetenz des 
Reiches gehörigen Angelegenheiten die Form des Reichsgesetzes 
nötig ist, die vom Kaiser abgeschlossenen Staatsverträge an die Zu- 
stimmung vom Reichstag und Bundesrat gebunden sind, während in 
allen anderen zur Zuständigkeit des Reiches gehörigen Fällen der 
Kaiser allein zum Vertragsabschluß berechtigt ist. Beim Abschluß 
von Staatsverträgen selbst ist aber der Reichstag ebensowenig wie 
der Bundesrat thätig: Die völkerrechtliche Vertretung des 
Reiches steht vielmehr einzig und allein dem Kaiser zu. 
Eigentlich im juristischen Sinne vollendet ist der Abschluß 
eines völkerrechtlichen Vertrages erst mit der Ratifizierung d. h. mit 
der Auswechslung der Originalurkunden, welche vom Kaiser bezw. 
dem Souverän des mit ihm paktierenden Staates selbst unterschrieben, 
mit dem Reichs= resp. Staatssiegel versehen und vom Reichskanzler 
resp. Staatsminister kontrasigniert sind. Vor der Ratifizierung be- 
steht im rechtlichen Sinne nur ein Vertrags entwurf. Zwischen 
Feststellung des definitiven Entwurfes und der Ratifizierung kann nun 
unter Vorlage des Entwurfes an den Bundesrat und bezw. an den 
Reichstag da, wo es nach dem oben Gesagten nötig ist, die Zustim- 
mung dieser Körperschaften erholt und hierauf der Vertrag ratifiziert 
werden. 
Die Bestimmung des Art. 78 Abs. I und II der Reichs-Verf. 
gilt selbstverständlich auch für Staatsverträge. Die Aufhebung 
der völkerrechtlichen Geltung eines Staatsvertrages steht gleichfalls 
nach Art. 11 nur dem Kaiser zu und zwar ohne Mitwirkung von 
Bundesrat und Reichstag. 
Die Befugnis der Einzelstaaten zum Abschluß von Staats- 
verträgen ist durch die dem Kaiser nach Art. 11 der Reichs-Verf. 
zustehende völkerrechtliche Vertretung des Reiches selbstverständlich 
nicht aufgehoben. Die Berechtigung aber der Bundesstaaten zu 
solchen Vertragsabschlüssen erleidet dadurch eine Beschränkung, daß die 
Einzelstaaten über Gegenstände, welche ihrer Kompetenz durch die 
Reichs-Verf. oder durch Reichsgesetze entzogen sind, auch keine Staats- 
verträge abschließen können. 
Soweit aber die Kompetenz eines Staates zur Gesetzgebung und 
Verwaltung reicht, soweit hat er auch die Zuständigkeit zum Abschluß
	        
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