Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band II. Das rechtsrheinischen Gemeinden und die Gemeindeverbände (Gemeindeordnung, Distrikts- und Landratsgesetz). (2)

152 8§ 95a. Von den Gemeindebürgern, deren Rechten und Pflichten. Art. 15. 
Bürgerrecht durch einen Vertreter ausüben, 106) welcher das bayerische 
Indigenat besitzt, volljährig und selbständig ist und keinem der in 
Art. 13 Abs. II aufgestellten Ausschließungsgründe unterliegt. 
V. 105) Frauen, minderjährige und andere unselbständige Per- 
sonen, dann juristische Personen und privatrechtliche Vereinigungen 
müssen 105) sich eines solchen Vertreters bedienen, wenn sie die mit 
dem Bürgerrechte verbundenen Stimmrechteo7) ausüben wollen. 108) 1088) 
— . 
die nach Art. 19 damit verbundenen Rechte durch einen mit den Eigenschaften des 
Art. 15 Abs. IV versehenen Vertreter auszuüben. 
Dagegen müssen die in Abs. V bezeichneten Personen einen Vertreter 
haben, wenn sie die mit dem Bürgerrechte verbundenen Stimmrechte ausüben 
wollen. Natürlich können auch die gesetzlichen Vertreter der in Abs. V bezeich- 
neten physischen oder juristischen Personen 2c. einen solchen Vertreter bestellen, 
wenn sie nicht selbst die betr. Rechte ausüben wollen oder können. 
Selbstverständlich ist, daß die betr. Person, z. B. eine Frau 2c., welche sich 
eines Stellvertreters zur Ausübung ihres Stimmrechtes bedienen will, nicht selbst 
willensunfähig, z. B. geistesgestört sein darf. Ist letzteres der Fall, so ist diese Person 
einerseits überhaupt nicht befähigt, eine Wahlstimme in giltiger Weise abzugeben, 
andrerseits aber auch nicht dazu, Vollmacht zur Abgabe einer solchen an einen Ver- 
treter zu erteilen. Die Wahlstimme, welche ein von einem Willensunfähigen selbst 
bevollmächtigter Vertreter abgeben würde, wäre ungiltig. Siehe Entsch, des Verw.= 
Ger.-Hofes vom 21. März 1883 Bd. 4, 378 in Anm. 108 a Nr. I lit. b; ferner 
s. Anm. 105, 107 und 108. 
16.) Das „Stimmrecht“ zerfällt nach Art. 19 Abs. II 
a. in das Recht, bei (Beratung und) Abstimmung über Gemeindeangelegen- 
heiten mitzuwirken; 
b. in das Recht, zu Gemeindeämtern zu wählen. 
(Vergl. unten Anm. 152 und 1353.) 
Für die Abstimmung nach a wie zur Abgabe der Wahlstimme nach b 
muß gemäß Art. 15 Abs. V ein Vertreter aufgestellt werden. Dieser Vertreter 
soll sich wohl nach der ihm gewordenen Instruktion richten, doch ist er nicht an 
solche Instruktionen seitens seines Vollmachtgebers gebunden und ist daher sein 
Votum nicht ungiltig, wenn es über allenfallsige Instruktionen hinausgeht. Auch 
ist derselbe nicht an der Abgabe der Stimme für sich selbst verhindert, ferner kann 
die nämliche Person von mehreren als Vertreter aufgestellt werden. (Vergl. auch 
Art. 47 Abs. IV.) 
Nach Art. 182 Abs. IX der Gem.-Ordn. darf aber niemand für mehr als 
#ine auf Grund des Art. 15 stimmberechtigte Person zur Stimmabgabe zugelassen 
werden. 
Das passive Wahlrecht (Art. 19 Abs. II Ziff. 2: das Recht, zu Gemeinde- 
ämtern gewählt zu werden) gehört nicht hieher. Nach Art. 172 Abs. 1 ist zur 
Wählbarkeit die nach Art. 11 vorgeschriebene Befähigung nötig. Siehe auch 
v. Kahr S. 195; ferner Anm. 106 und 108. 
108) Es steht vollständig in dem freien Willen der in Abs. V genannten 
physischen und juristischen Personen, ob sie das ihnen zustehende Stimmrecht aus- 
üben wollen oder nicht. Ueben sie es aber aus, dann müssen sie sich eines 
Vertreters bedienen, welcher die in Abs. IV des Art. 13 vorgeschriebenen Eigen- 
schaften besitzt. Ein solcher Vertreter müßte also auch dann aufsgestellt werden, 
wenn der eigentliche und zunächst berufene Vertreter einer juristischen Person oder 
eines Minderjährigen oder Geisteskranken diese Eigenschaften nicht besitzen würde. 
2°Sa) Zu Art. 15 verweisen wir noch auf folgende Entscheidungen und Ab- 
handlungen:
	        
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