18 8 94. Die Gemeinden und die Gemeindeverfassung.
I. Oeffentlich-rechtliches Verhältnis der Gemeinden.
Wenn die Gemeindeordnung oder die gesamte übrige bayerische
Gesetzgebung von „Gemeinde“ oder von „politischer Gemeinde“ spricht,
so ist darunter stets die „Gemeinde im Sinne der Gemeinde-
ordnung“ zu verstehen, im Gegensatze einerseits zur Ortsgemeinde
oder Ortschaft nach Art. 5 und 153 der Gem.-Ordn., andrerseits zur
Distrikts= oder Kreisgemeinde, auch zur Pfarr-, Kirchen= oder Kultus-
gemeinde, desgleichen auch zur Steuergemeinde, (ganz besonders aber
auch zu jeder Art von privatrechtlicher Gemeinde). —
Wir werden auch dem vollständig begründeten Rate v. Kahrs
(Comm. zur Gem.-Ordn. S. 38/39 Anm. 4) folgend die Gemeinde-
verbände im Sinne der Gemeindeordnung in unseren nachfolgenden
Abhandlungen und Erörterungen einfach mit „Gemeinden“" be-
zeichnen und dieselben mit der Bezeichnung „politische Gemeinden“
nur dann belegen, „wenn es nötig ist, um den Gegensatz zu anderen
Kategorien von Gemeinden hervorzuheben.“ Vergl. S. 1 Anm. 3.
Nach Hauck-Lindner (Comm, zur Gem.-Ordn. S. 11) ist die
Gemeinde im Sinne der Gemeindeordnung:
„Die Vereinigung nachbarlich auf bestimmt begrenztem Ge-
biete bei einander wohnenden Volksgenossen zu einer Gesamt-
persönlichkeit des öffentlichen, sowie des Privatrechtes, welche als
Selbstverwaltungskörper innerhalb des örtlichen Verbandes unter
Oberaufsicht des Staates die ihr eigentümlichen Zwecke erfüllt."
v. Seydel definiert die Gemeinde (von ihm „Ortsgemeinde"
genannt) in seinem Staatsrecht Bd. 2 S. 19 als „die kraft gesetzlicher
Notwendigkeit bestehende nächste und unmittelbare Vereinigung von
Staatsangehörigen auf einem abgegrenzten Teile des Staatsgebietes,
welche in Unterordnung unter die Staatsgewalt, jedoch innerhalb der
gesetzlichen Schranken selbständig öffentliche Aufgaben zu erfüllen hat
und Durch ihre Organe in ihrem Bezirke eine öffentliche Gewalt
ausübt.“
Nach Art. 1 der Gem.-Ordn. sind nun die Gemeinden — im
Sinne dieses Gesetzes, also für das Gebiet des öffentlichen Rechtes —:
„Oeffentliche Körperschaften mit dem Rechte der Selbst-
verwaltung nach Maßgabe der Gesetze."
Diese Körperschaft „Gemeinde“ besteht aus der Gesamtheit der
Gemeindeangehörigen.“)
# Da die Gemeinde als Körperschaft ein selbständiges Rechtssub-
jekt, sogen. „juristische Person“ ist, also selbständig Rechte erwerben
und Pflichten haben kann, so ist ihr speziell als „öffentlicher“ Körper-
schaft diese Rechtsfähigkeit bezw. juristische Persönlichkeit auch auf dem
Gebiete des öffentlichen oder des Staats-Rechtes verliehen und zwar
) Ueber den Begriff „Gemeindeangehörige“ s. unten § 95a bei Art. 10 der
Gem.-Ordn., sowie § 95.