Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band II. Das rechtsrheinischen Gemeinden und die Gemeindeverbände (Gemeindeordnung, Distrikts- und Landratsgesetz). (2)

20 § 94. Die Gemeinden und die Gemeindeverfassung. 
schiedenen hier einschlägigen Civilgesetze, überhaupt alle bayerischen 
und Reichsgesetze. Selbstverständlich sind freilich die in allererster 
Linie hier in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen die- 
jenigen der Gemeindeordnung selbst. Soweit daher von letzterer das 
Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden beschränkt ist, müssen diese 
Beschränkungen beachtet werden und würde jede Nichtbeachtung der 
einschlägigen (beschränkenden) Bestimmungen die Ungiltigkeit der betr. 
gemeindlichen Beschlüsse zur Folge haben. (Vgl. Art. 154—160 der 
Gem.-Ordn., ferner s. unten S. 28 f. lit. H.) Im übrigen jedoch gilt 
für die gemeindliche Verwaltung als Generalregel: „Innerhalb 
der vom Gesetze gezogenen Grenzen haben die Gemeinden ihre volle 
Handlungs= und Bewegungsfreiheit, und zwar sowohl bezüglich der 
eigentlichen, d. h. derjenigen Angelegenheiten, welche ihnen als Ge- 
meinden nach ihrer Zweckbestimmung und inneren Natur, als Sub- 
jekten des öffentlichen wie des Privatrechtes von selbst oder kraft 
Gesetzes zustehen, als auch bezüglich der übertragenen Angelegenheiten, 
welche sie auf Grund besonderer gesetzlicher Zuteilung zu besorgen oder 
zu verwalten haben.“ 
Zu dieser Besorgung und Verwaltung bedürfen nun aber die 
Gemeinden als „Körperschaften“ als „juristische Personen“ bestimmte 
Organe, durch welche sie handeln bezw. welche für sie handeln. Die 
Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten und die Vertretung der 
Gemeinde in allen Verhältnissen des öffentlichen und des Privat- 
rechtes steht der Gemeindevertretung zu. Ueber diese wird weiter 
unten zu Art. 70 ff. bezw. Art. 123 ff. der Gem.-Ordn. des Näheren 
gesprochen werden. Siehe auch Roth, bayer. Civilrecht 1871 Tl. 1 
Buch 1 Kap. 1 § 38 S. 241 ff. 
Wenn nun auch die Gemeindeordnung prinzipiell das Verhält- 
nis der Gemeinden nur in ihrer Eigenschaft als öffen liche Körper- 
schaften regelt, so ist hier doch auch die Gemeinde als Rechtssubjekt 
des Privatrechtes einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. 
II. Privatrechtliches Verhältnis der Gemeinden. 
Die älteren Edikte und Verordnungen über die Gemeinden haben 
auch vielfach die privatrechtlichen Verhältnisse der Gemeinden geregelt. 
Die Gemeindeordnung von 1869 wollte sich aber im Prinzipe, wie 
bereits erwähnt, mit der civilrechtlichen Stellung der Gemeinden nicht 
befassen, dieselbe vielmehr den einschlägigen bürgerlichen Gesetzen über- 
lassen. Allein indem sie den Gemeinden im Art. 1 die Qualität als 
„Körperschaften" mit dem Rechte der Selbstverwaltung, also als 
„juristische Persönlichkeiten“ mit Verwaltungs= und Handlungsfähigkeit 
verliehen hat, betrat sie zugleich mit das civilrechtliche Gebiet. Die 
politischen Gemeinden sind — ebenso wie die Distrikts= und Kreis- 
gemeinden — Korporationen des öffentlichen Rechtes und 
gesetzlich notwendige juristische Personen des bürgerlichen 
Rechtes. (Siehe Becher S. 374.) Doch sollte andrerseits den Ge- 
meinden im Sinne der Gemeindeordnung diese juristische Persönlichkeit
	        
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