22 8 94. Die Gemeinden und die Gemeindeverfassung.
die Gemeinden auf die vom Civilrechte gewährten Privilegien der
Minderjährigen, welche ihnen vor 1869 zugestanden haben, keinen
Anspruch mehr erheben, soweit sich dieselben auf die von der Ge—
meindeordnung vollständig geregelte Handlungs fähigkeit beziehen.
Sehe 5 19 und 20, ferner das auf S. 23 Anm. 9 angeführte
Ob. Erk.
Dagegen stehen je nach den einschlägigen Civilgesetzend)
die sog. Rechte oder Privilegien der Minderjährigen den Gemeinden
(ohne Rücksicht darauf, ob Stadt= oder Landgemeinden) insoweit zu, als
dieselben auf die Rechts fähigkeit, d. h. auf die Fähigkeit, Rechte
und Pflichten zu erwerben oder zu besitzen, Bezug haben. 6)
Doch können auch solchen Falles die Gemeinden einen Auspruch
auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erheben, wenn gegen
sie eine Verjährung auf Grund der Gesetze vom 28. Dezember 1831
(Finanzgesetz §§ 30—33: Web. 2, 570 f.; Ges.-Bl. 121 f.); ferner
vom 26. März 1859 über die Verjährungsfristen (Art. 6: Web. 5,
137; Ges.-Bl. 25); desgl. vom 29. Sept. 1861 „die Verjährung der
Forderungen aus Staatsschuldenurkunden der Staatsschuldentilgungs-
anstalt" betreffend (Artikel 6: Web. 5, 264; Ges.-Bl. 33)
eingetreten ist, da nach den beiden letztgenannten Gesetzen überhaupt
jede solche Wiedereinsetzung ausgeschlossen, dagegen nach § 33 des
erstgenannten Ges. von 1831 eine solche nur für minderjährige physische,
nicht aber für juristische Personen gegeben erscheint.7)
Siehe ferner unten sub lit. H (Staatskuratel).
B. Vermögensfähigkeit.
Die Gemeinden besitzen als juristische Personen des bürgerlichen
oder Privatrechtes die Fähigkeit, Vermögen jeder Art: bewegliche
und unbewegliche Sachen, auch Rechte zu erwerben und zu besitzen,
desgl. zu veräußern, oder dieselben zu belasten. (Vgl. unten sub lit.
G, auch K.) Ein Unterschied zwischen den einzelnen Arten von Ge-
meinden besteht hier nicht.
Das Gleiche gilt hinsichtlich der Vermögensfähigkeit einzelner
mit juristischer Persönlichkeit ausgestatteter Ortsgemeindeteile oder Ort-
schaften (nach Art. 5, 153 der Gem.-Ordn.) 8)
Die desbezüglichen Verhältnisse werden je durch das einschlägige
5) Vgl. hiezu den heute noch im Prinzipe giltigen § 20 des Gem.-Ed.:
„Die Gemeinden können in der Eigenschaft als öffentliche Korporationen alle Rechte
ausüben und Verbindlichkeiten eingehen, welche die bürgerlichen Gesetze den Pri-
vaten überhaupt gestatten und den Gemeinheiten insonderheit nicht versagen.“
!) Und so läuft auch nach gemeinem Rechte wie bisher gegen Gemeinden
nur eine dreißigjährige (die sogen. außerordentliche Verjährung) vgl. hiezu das
in Anm. 3 zu Art. 1 der Gem.-Ord. angeführte Erk. des obersten Gerichtshofes.
« Nach § 195 des bürgerl. Ges.-B. beträgt ohnedies die regelmäßige Ver-
jährungsfrist dreißig Jahre. Unvordenkliche Verjährung gibt es nicht mehr, über-
haupt keine längere Verjährungsfrist als 30 Jahre, nur kürzere nach §§ 196 und 197).
7.) Vgl. hiezu Becher Bd. 1 S. 375 f.
*) Vgl. Becher Bd. 1 S. 375 Note 16.