Object: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

J. Anthropologie und Ethnologie. 
Es gelang bisher immer, das Vertrauen der 
Eingeborenen so weit zu gewinnen, daß weder der 
anthropologischen Messung noch der photographischen 
Aufnahme Widerstand geleistet wurde. 
Es wurden bis heute an 150 Eingeborenen 
Körper= und Schädelmessungen vorgenommen. In 
den meisten Fällen wurden durchschnittlich ein bis 
zwei Stunden für die Untersuchung eines Indlvi- 
duums verwendet, um möglichst viele zur Charal- 
teristik der Rasse geeignete Merkmale festzuhalten. 
Die äußere Erscheinung wurde auch genau be- 
schrieben, der Gesundheitszustand wurde mit be- 
sonderer Rücksicht auf hereditäre und spezifisch- 
tropische Krankheiten geprüft. Von den meisten 
Leuten wurden photographische Typenaufnahmen 
gemacht, und zwar en face, en profil und ganze 
Figur. Abdrücke von Händen und Füßen wurden 
auch gesammelt, ebenso Haarproben. 
Die Messungen betreffen hauptsächlich folgende 
Stämme: 
Monumbo (Potsdamhafen), Manam (Vulkan- 
insel), Watam (Augustafluß), Kal (Hinterland von 
Finschhafen) und Baining (wahrscheinlich die Ur- 
bevölkerung von Neu Pommern). Außerdem wurden 
gelegentlich einzelne Leute von andern Stämmen 
der Nordküste und vom Hüongolf gemessen. 
Die Zahl der bisher erworbenen Schädel be- 
trägt 75, davon sind 30 mit Unterkiefer. Sie 
rühren meist von den oben genannten Stämmen 
her, von denen auch viele genaue Messungen an 
Lebenden vorliegen. 
Es wurden neun Skelette ausgegraben, so voll- 
ständig, als es ging. Außerdem wurden 160 einzelne 
Knochen, meist lange Röhren= und Beckenknochen, 
gesammelt. 
Von Weichtellen wurden eingelegt: vier Gehirne, 
ein ganzer Kopf, Füße, Hautstücke, namentlich Kopf- 
haut, Augen und verschiedene innere Organe. 
Die in meinem Arbeitsplane gestellten Haupt- 
fragen lönnen nun soweit, wie aus dem Folgenden 
erhellt, beantwortet. werden: 
1. Ein Urteil über die Stellung der Papuas zu 
den andern schwarzen Rassen kann wohl erst nach 
der vollständigen Bearbeltung des großen vorliegen- 
den Materials gefällt werden. 
2. Die Untersuchungen ergeben eine Reihe 
deutlich faßbarer Unterschiede zwischen dem Papua 
und Melanesen, so daß diese Scheidung, welche 
einige Anthropologen schon aufgeben wollten, doch 
wieder angenommen werden sollte. Die Grenzen 
der beiden Sprachgruppen, der melanesischen und 
der papuanischen, fallen aber mit der Rassengrenze 
durchaus nicht immer zusammen. 
3. Die an der Nordküste untersuchten Stämme 
sind gemischt; die Monumbo sind noch vorwiegend 
mesocephal, gegen Westen gewinnt Dolichocephalie 
mehr das Ubergewicht. Die Bewohner der Vulkan- 
insel (Manam) haben oft Andeutung von Epicanthus 
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(Mongolenfalte), von den Kai zeigen viele Zwerg- 
wuchs — es ist also keiner der untersuchten Stämme 
„rein“, sondern alle zeigen mehr oder weniger starke 
Mischung verschiedener Elemente. Am einheitlichsten 
erscheinen unter allen noch die Baining (Neu- 
Pommern), jedoch sind die bezüglichen Untersuchungen 
noch nicht abgeschlossen. 
4. Das auffallendste Zeichen niedriger Bildung 
ist die häufig fllehende und „schlecht gefüllte“ Stirne. 
Weilere Merkmale wird die Vergleichung der 
Messungen am Lebenden, die Bearbeiltung des 
osteologischen Materlales und der Gehirne ergeben. 
Die Haut neugeborener Papuakinder ist etwas 
röz#er als die europätscher, aber durchaus nicht braun, 
bloß Hodensack oder Schamlippen sind stärker pig- 
mentiert. 
5. Die sprachlichen Verschiedenheiten sind viel 
häufiger und größer als die anthropologischen. Der 
Monumbostamm (Potsdamhafen) ist ungefähr 
500 Köpfe stark und bewohnt einen zwei Stunden 
langen Küstenstrich; zwischen den östlichen und west- 
lichen Dörfern gibt es schon dialektische Verschieden- 
helten. In dem von mir durchstreiften Gebiete der 
Kai wohnen ungefähr 1000 Seelen, in den Rand- 
bezirken weicht der Dialekt bedeutend ab. 
Die bisher verbreitete Annahme, daß die einzelnen 
Papuastämme vollständig abgeschlossen voneinander 
wohnen, ist nicht richtig. Es gibt vielmehr überall 
einen ausgedehnten Handelsverkehr, daneben oft 
allerdings vollständige Feindschaft unmittelbar be- 
nachbarter Stämme. . 
Die Monumbo (Potsdamhafen) beziehen z. B. 
ihre Tanztrommeln und Tanzschurze von den Iku 
(Bergland hinter der Hansabucht), die Schwelne 
und die Canari-NRüsse von den Manam (gegenüber- 
liegende Vulkaninsel), die rote Erde zum Bemalen 
des Körpers von den Burroi (Mündung des Ramu), 
die Sagobrote von den Kawea (etwas östlich davon), 
die Tanzmasken und Holztrommeln von den Watam 
(Mündung des Augustaflusses). Dagegen leben die 
Monumbo mit ihren unmittelbaren Nachbarn im 
Hinterlande, den Alepapun, in Feindschaft, und dort- 
hin geht kein Verkehr. 
Die Holzschwerter der Kai und der Möbim 
(Finschhafen und Hinterland) kommen weit aus dem 
inneren Berglande, gehen durch das Land der Kai 
und Yabim nach den Tamüinseln, um dort verziert 
zu werden, und kehren dann wieder zurück. Trotz- 
dem bestand unter den Kat untereinander, zwischen 
einzelnen Bezirken, Feindschaft und Verkehrslosigkeit. 
Degeneration als Folge von Inzucht konnte ich 
bis jetzt noch bei keinem Volke sehen. Eatweder 
waren die Stämme doch zu groß oder waren viel- 
leicht noch nicht lange genug ein abgeschlossener 
Stamm oder es wurden die Folgen der Inzucht 
durch Wechselheirat oder Kindertausch verhindert. 
Am ehesten wären Folgen von Inzucht zu er- 
warten bel den Monumbo. Ein abgegrenzter Stamm 
wie heute sind sie gewilß schon durch viele Gene-
	        
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