J. Anthropologie und Ethnologie.
Es gelang bisher immer, das Vertrauen der
Eingeborenen so weit zu gewinnen, daß weder der
anthropologischen Messung noch der photographischen
Aufnahme Widerstand geleistet wurde.
Es wurden bis heute an 150 Eingeborenen
Körper= und Schädelmessungen vorgenommen. In
den meisten Fällen wurden durchschnittlich ein bis
zwei Stunden für die Untersuchung eines Indlvi-
duums verwendet, um möglichst viele zur Charal-
teristik der Rasse geeignete Merkmale festzuhalten.
Die äußere Erscheinung wurde auch genau be-
schrieben, der Gesundheitszustand wurde mit be-
sonderer Rücksicht auf hereditäre und spezifisch-
tropische Krankheiten geprüft. Von den meisten
Leuten wurden photographische Typenaufnahmen
gemacht, und zwar en face, en profil und ganze
Figur. Abdrücke von Händen und Füßen wurden
auch gesammelt, ebenso Haarproben.
Die Messungen betreffen hauptsächlich folgende
Stämme:
Monumbo (Potsdamhafen), Manam (Vulkan-
insel), Watam (Augustafluß), Kal (Hinterland von
Finschhafen) und Baining (wahrscheinlich die Ur-
bevölkerung von Neu Pommern). Außerdem wurden
gelegentlich einzelne Leute von andern Stämmen
der Nordküste und vom Hüongolf gemessen.
Die Zahl der bisher erworbenen Schädel be-
trägt 75, davon sind 30 mit Unterkiefer. Sie
rühren meist von den oben genannten Stämmen
her, von denen auch viele genaue Messungen an
Lebenden vorliegen.
Es wurden neun Skelette ausgegraben, so voll-
ständig, als es ging. Außerdem wurden 160 einzelne
Knochen, meist lange Röhren= und Beckenknochen,
gesammelt.
Von Weichtellen wurden eingelegt: vier Gehirne,
ein ganzer Kopf, Füße, Hautstücke, namentlich Kopf-
haut, Augen und verschiedene innere Organe.
Die in meinem Arbeitsplane gestellten Haupt-
fragen lönnen nun soweit, wie aus dem Folgenden
erhellt, beantwortet. werden:
1. Ein Urteil über die Stellung der Papuas zu
den andern schwarzen Rassen kann wohl erst nach
der vollständigen Bearbeltung des großen vorliegen-
den Materials gefällt werden.
2. Die Untersuchungen ergeben eine Reihe
deutlich faßbarer Unterschiede zwischen dem Papua
und Melanesen, so daß diese Scheidung, welche
einige Anthropologen schon aufgeben wollten, doch
wieder angenommen werden sollte. Die Grenzen
der beiden Sprachgruppen, der melanesischen und
der papuanischen, fallen aber mit der Rassengrenze
durchaus nicht immer zusammen.
3. Die an der Nordküste untersuchten Stämme
sind gemischt; die Monumbo sind noch vorwiegend
mesocephal, gegen Westen gewinnt Dolichocephalie
mehr das Ubergewicht. Die Bewohner der Vulkan-
insel (Manam) haben oft Andeutung von Epicanthus
648
(Mongolenfalte), von den Kai zeigen viele Zwerg-
wuchs — es ist also keiner der untersuchten Stämme
„rein“, sondern alle zeigen mehr oder weniger starke
Mischung verschiedener Elemente. Am einheitlichsten
erscheinen unter allen noch die Baining (Neu-
Pommern), jedoch sind die bezüglichen Untersuchungen
noch nicht abgeschlossen.
4. Das auffallendste Zeichen niedriger Bildung
ist die häufig fllehende und „schlecht gefüllte“ Stirne.
Weilere Merkmale wird die Vergleichung der
Messungen am Lebenden, die Bearbeiltung des
osteologischen Materlales und der Gehirne ergeben.
Die Haut neugeborener Papuakinder ist etwas
röz#er als die europätscher, aber durchaus nicht braun,
bloß Hodensack oder Schamlippen sind stärker pig-
mentiert.
5. Die sprachlichen Verschiedenheiten sind viel
häufiger und größer als die anthropologischen. Der
Monumbostamm (Potsdamhafen) ist ungefähr
500 Köpfe stark und bewohnt einen zwei Stunden
langen Küstenstrich; zwischen den östlichen und west-
lichen Dörfern gibt es schon dialektische Verschieden-
helten. In dem von mir durchstreiften Gebiete der
Kai wohnen ungefähr 1000 Seelen, in den Rand-
bezirken weicht der Dialekt bedeutend ab.
Die bisher verbreitete Annahme, daß die einzelnen
Papuastämme vollständig abgeschlossen voneinander
wohnen, ist nicht richtig. Es gibt vielmehr überall
einen ausgedehnten Handelsverkehr, daneben oft
allerdings vollständige Feindschaft unmittelbar be-
nachbarter Stämme. .
Die Monumbo (Potsdamhafen) beziehen z. B.
ihre Tanztrommeln und Tanzschurze von den Iku
(Bergland hinter der Hansabucht), die Schwelne
und die Canari-NRüsse von den Manam (gegenüber-
liegende Vulkaninsel), die rote Erde zum Bemalen
des Körpers von den Burroi (Mündung des Ramu),
die Sagobrote von den Kawea (etwas östlich davon),
die Tanzmasken und Holztrommeln von den Watam
(Mündung des Augustaflusses). Dagegen leben die
Monumbo mit ihren unmittelbaren Nachbarn im
Hinterlande, den Alepapun, in Feindschaft, und dort-
hin geht kein Verkehr.
Die Holzschwerter der Kai und der Möbim
(Finschhafen und Hinterland) kommen weit aus dem
inneren Berglande, gehen durch das Land der Kai
und Yabim nach den Tamüinseln, um dort verziert
zu werden, und kehren dann wieder zurück. Trotz-
dem bestand unter den Kat untereinander, zwischen
einzelnen Bezirken, Feindschaft und Verkehrslosigkeit.
Degeneration als Folge von Inzucht konnte ich
bis jetzt noch bei keinem Volke sehen. Eatweder
waren die Stämme doch zu groß oder waren viel-
leicht noch nicht lange genug ein abgeschlossener
Stamm oder es wurden die Folgen der Inzucht
durch Wechselheirat oder Kindertausch verhindert.
Am ehesten wären Folgen von Inzucht zu er-
warten bel den Monumbo. Ein abgegrenzter Stamm
wie heute sind sie gewilß schon durch viele Gene-