Contents: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

Das Dentsche Reih und seine einzelnen Glieder. (November 26. 3091 
system erscheint. Wollen wir, so können wir etwas erreichen. Und wenn 
in diesen Kämpfen, die uns bevorstehen, „die Welt voll Teufel wäre, es 
wird uns doch gelingen!“ 
Reichskanzler v. Bethmann Hollweg: Die Interpellation geht 
von der Annahme aus, der Kaiser habe im November 1908 dem Reichstag 
durch den Reichskanzler Fürsten Bülow Erklärungen gegeben, mit denen 
er sich durch die jetzige Rede in Widerspruch gesetzt habe. Diese Annahme 
ist falsch. (Gelächter l.) Im Anschluß an die Debatten, die hier im Reichs- 
tage geführt worden sind, ist, wie der Abg. Ledebour es auch ausgeführt 
hat, durch den „Reichsanzeiger“ mitgeteilt worden, daß der Kaiser dem 
Fürsten Bülow unter Billigung seiner Ausführungen im Reichstage und 
unter Bekundung seines andauernden Vertrauens seinen Willen dahin kund- 
gegeben hat, daß er unbeirrt durch die als ungerecht empfundene Ueber- 
treibung der öffentlichen Kritik seine vornehmste Aufgabe darin erblicke, 
die Stetigkeit der Politik des Reiches unter Wahrung der verfassungs- 
mäßigen Verantwortlichkeiten zu sichern. (Lebhafte Zustimmung r.) Mit 
dieser Erklärung im „Reichsanzeiger" ist der Oeffentlichkeit gegenüber eine 
Mitteilung darüber erfolgt, wie der Kaiser seine staatsrechtliche Stellung 
und die Pflichten seines Herrscherberufes auffaßt. Mit dieser Auffassung 
hat sich der Kaiser und König nicht in Widerspruch gesetzt und er hat es 
insonderheit nicht getan — das stelle ich weiter fest — durch die Aeuße- 
rungen, die er seitdem getan hat. Trotz der sehr eingehenden Darlegungen 
ist der Abg. Ledebour den Gegenbeweis schuldig geblieben. Es ist mir 
völlig unerfindlich, wie man aus der Beuroner Ansprache, aus einer An- 
sprache an die Rekruten, aus den Aeußerungen, die der Kaiser in Königs- 
berg über den Beruf der Frau, über die Friedensbürgschaften, die eine 
starke Wehr liefert, ich sage, es ist mir unerfindlich, wie man aus diesen 
Aeußerungen folgern will, daß der Kaiser die Grenze seines konstitutionellen 
Herrscheramtes überschritten oder die Stetigkeit der Politik und die Auto- 
rität der Krone gefährdet habe. (Lebhaftes Sehr richtig! r. und i. Z.) 
Die Königsberger Rede, die der König von Preußen vor Angehörigen 
einer preußischen Provinz gehalten hat, enthält nicht, wie man gesagt hat, 
eine Betätigung absolutistischer, mit unserem Verfassungsrecht unvereinbarer 
Anschauungen, wohl allerdings eine starke Betonung desjenigen monarchischen 
Prinzips, auf dem das preußische Staatsrecht beruht (Erneutes Sehr 
richtig! r.), verbunden mit dem Ausdruck tiefer religiöser Ueberzeugung, 
die in weiten Schichten des Volkes verstanden und geteilt wird. (Sehr 
wahrl) Die Könige von Preußen sind in einer jahrhundertelangen Ent- 
wicklung mit ihrem Volke verwachsen. Diese Entwicklung hat sich nicht so 
vollzogen, daß das Volk es gewesen wäre, das sich ein Königtum gestattet 
hätte. Nein, in einer fast beispiellosen historischen Arbeit großer Herrscher 
aus dem Hause Hohenzollern, die in der Tüchtigkeit und Zähigkeit der Be- 
völkerung eine lebendige Stütze fanden, ist das preußische Staatswesen zu- 
sammengeschmiedet worden und auf der Grundlage dieser Entwicklung sind 
die Preußenkönige ihrem Volke gegenüber Könige aus eigenem Rechte. (Heiter- 
keit.) Ihr Gelächter stört mich nicht, und wenn in heutiger Zeit sich das 
Bestreben geltend macht, auch in Preußen den König wie einen vom Volke 
gestellten Würdenträger zu behandeln, so darf man sich nicht wundern, 
wenn der König das Bewußtsein, kein Volkssouverän zu sein, entschieden 
betont. Persönliche Unverantwortlichkeit des Königs, Selbständigkeit und 
Ursprünglichkeit des monarchischen Rechts, das sind die Grundgedanken 
des preußischen Staatswesens, die auch in der Periode konstitutioneller 
Entwicklung lebendig geblieben sind. Gibt ihnen der König von Preußen 
in der altpreußischen Krönungsstadt in der durch die alte Tradition ge-
	        
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